Rezension

Superwoman

Nightbitch -

Nightbitch
von Rachel Yoder

Bewertet mit 3 Sternen

Auf Instagram bin ich vor einiger Zeit über einen Account aus den USA gestolpert, in dem es vor allem um die Grundproblematik in heteronormativen Familien geht: Die Frau und Mutter ist für alles verantwortlich, was Haushalt, Familie und Kinder angeht. Der Mann geht arbeiten und interessiert sich sonst für nix. Und damit ist erstaunlicherweise nicht die Eltern- oder Großelterngeneration gemeint, sondern es betrifft die Generation X und die Millennials. „Weaponized Incompetence“ ist das Schlagwort mit denen die sie Männer komplett jeglicher Care-Arbeit entziehen und die Frauen heute oft neben dem Haushalt auch noch arbeiten gehen. Also mehrfach belastet sind. Ich kann mich ewig in den Kommentarspalten dieses Accounts verlieren, weil die Frauen dort alle das gleiche berichten. Die Scheidung wird oft als regelrechter Befreiungsakt gesehen, weil man das „dritte Kind“, den Mann, losgeworden ist und sich Haushalt und Kinder selbst mit Arbeit besser wuppen lassen. Man muss sich eben nicht mehr auch noch um den Mann und seine Bedürfnisse kümmern. Ich frage mich, wie wir Kinder der 80er und 90er nur in diese Lage gekommen sind? Warum ist das Rollenklischee immer noch so stark in den Familien vertreten?

Rachel Yoder setzt sich genau mit diesem Thema in ihrem Roman „Nightbitch“ auseinander. Die bestens ausgebildete, aufstrebende Künstlerin und Galeristin findet sich mit der Geburt ihres Sohnes in einem Konflikt zwischen Mutterschaft und Künstlerschaft und entdeckt eine Entwicklung an sich selbst, die ins tierische zu gehen scheint. Sie glaubt sich in einen Hund zu verwandeln und mit den tierischen Instinkten ihre Rolle besser meistern zu können. Yoder gibt ihrer Hauptfigur keinen Namen, sie ist die Mutter und dann wird sie zur Nightbitch. Für mich bleibt sie damit eine Figur auf Distanz. Das scheint gewollt von der Autorin. Sie arbeitet mit Allgemeinheiten, Klischees, Zuschreibungen, die sie ihrer Figur in den Kopf legt. Die Mutter/Nightbitch ist alles andere als die Übermutti, die Superhausfrau, die Karrierefrau. Sie scheitert an ihren eigenen Vorstellungen und Erwartungen von der Ehe und Familie. Sie ist unreflektiert, inkonsequent und scheut sich vor ernsthaften Auseinandersetzungen – mit sich selbst, mit ihrem Kind, ihrem Mann und der Gesellschaft. Sie muss zum Tier werden, um sich selbst zu finden?

Mich lässt der Roman etwas ratlos zurück. Vielleicht kann ich mich nicht so stark hineinversetzen, weil ich selbst keine Mutter bin. Vielleicht geht es Rachel Yoder aber auch weniger um ihre Figur, sondern viel stärker um die Leser ihrer Geschichte. Die Figur wirkt auf mich mit Absicht so angelegt, dass man sie bei der Lektüre ständig in Frage stellt. Die Unsicherheiten und zur Schau gestellten Überforderungen mit dem Leben sollen vielleicht vor allem mich als Leser triggern und auf die Palme bringen. Soll ich gar eine Haltung zur Figur, zum Thema entwickeln? Das fällt gar nicht leicht und bringt mich zum Grübeln.

Rachel Yonder schreibt nicht, um mir ein gutes Gefühl zu geben. Auch wenn ich ihrer Erzählstrategie nicht ganz folgen kann, so gehe ich in jedem Fall mit ihrem thematischen Ansatz mit. Unser heutiges Frauenbild ist in vielerlei Hinsicht fragwürdig.