Rezension

Tartan-Noir im Glasgow von 1974

Die April-Toten -

Die April-Toten
von Alan Parks

Bewertet mit 4 Sternen

Glasgow 1974. Harry McCoy hat an seinem freien Tag einen privaten Termin in Aberdeen  geplant, als er vom US-Amerikaner  Andrew Stewart um Hilfe gebeten wird, dessen Sohn vom amerikanischen Marine-Stützpunkt Holy Loch/Dunoon verschwunden sein soll.  Stewart, Ex-Captain der Navy (groß, gut genährt, unübersehbar ein Yankee) sieht sich selbst als Schotte, weil seine Vorfahren über Neufundland nach Boston eingewandert sind. McCoy nimmt Stewart kurzentschlossen mit auf die Fahrt in den Norden, er will seinen Kindheitsfreund Stevie Cooper nach Absitzen einer Gefängnisstrafe aus Peterhead abholen und ihn dazu anhalten, Glasgow eine Zeit lang zu meiden. Beide Männer verbindet eine Kindheit in Heimen und Pflegefamilien, samt in den 60ern nicht ungewöhnlichen  körperlichen Misshandlungen durch Betreuer. Zu den unbezahlbaren Kontakten aus McCoys Jugend gehört auch Patsy Hearne vom fahrenden Volk, der heute als Schausteller auf Volksfesten arbeitet. Man ahnt bereits, dass die unkündbare Loyalität zwischen  Unterweltgröße und desillusioniertem Ermittler McCoy noch Kopfzerbrechen bereiten wird; denn bisher ist der Polizist stets gesprungen, wenn Stevie ihn heran gepfiffen hat. Cooper (gut situierter Erbe eines Baumwollfabrikanten) und Stewart entwickeln schnell eine Beziehung, die auf ihrem Interesse am Boxen basiert.

In Glasgow/Woodlands tötet unterdessen eine selbstgebaute Bombe Paul Watt in seiner Wohnung, in der später Indizien gefunden werden, die auf die Anwesenheit von Donny Stewart hinweisen. McCoy,  der zu jung wirkt, um bereits derart gesundheitlich angeschlagen zu sein, sieht sich mit seinem Partner Wattie/Watson einer Subkultur gegenüber, die im Umfeld des nach Schottland schwappenden Nordirlandkonflikts sehr junge Männer wie Paul Watt für private paramilitärische Gruppen trainiert.  Das Dreieck aus alten, wohlhabenden Förderern paramilitärischer Aktivitäten, sehr jungen, unterprivilegierten Männern und einem ebenfalls jungen US-Amerikaner könnte aus heutiger Sicht auf Homosexualität oder sexuelle Ausbeutung Abhängiger hinweisen. McCow sieht sich zunehmend verheerenderen Bombenanschlägen gegenüber und fragt sich, welche Rolle Briten in Zivil in dieser Szene spielen können.

McCoy, der laut Doug Johnstones informativem Nachwort in den Fußstapfen von McIlvannys Laidlow-Trilogie unterwegs sein  soll, tritt als saufender und koksender Ermittler auf, der als traumatisiertes Opfer des brachialen Erziehungssystems noch immer unentschieden wirkt, auf wessen Seite er steht. In der Beziehung zwischen McCoy und Noch-Greenhorn Wattie zeigt Parks eine immense Liebe zum Detail. So lässt er Wattie, als junger Vater völlig erschöpft, zum Dienst wanken und - in dieser reinen Männerwelt - mit McCoy über den Wunsch seiner Frau diskutieren, möglichst bald wieder als Journalistin zu arbeiten. Watties Clan mit gefühlt einem Dutzend Brüdern und Patsy Hearnes Einblick in die Welt der Tinker gehören in diesem Band zu meinen Highlands.

Fazit

Das Nachwort von Doug Johnstone vermittelt, was Alan Parks veranlasste, mit  Glasgow der 70er die Stadt mit der höchsten Armuts- und Kriminalitätsrate als Schauplatz seiner Tartan-Noir-Serie zu wählen. Parks eigenwilliger Sound wirkt, als würden Insider in Dialogen jeweils Anfang und Ende ihrer Aussagen abzwicken und sich gegenseitig daran erkennen, dass sie den knappen Rest trotzdem verstehen. Saufen, Prügeln, Schottland retten, das Blut fließt bei Parks in Strömen, und in McCoys Leben gibt es so manches, das er lieber nicht aufrühren möchte.