Rezension

Thomas Manns herausragender Künstlerroman

Doktor Faustus - Thomas Mann

Doktor Faustus
von Thomas Mann

Bewertet mit 5 Sternen

Thomas Manns großer Roman »Doktor Faustus« wird als Lebensgeschichte des (fiktiven) Komponisten Adrian Leverkühn wiedergegeben, erzählt von seinem Freund Serenus Zeitblom. Leverkühn ist 1941 gestorben, 1943 ist Zeitblom dabei, dessen Geschichte niederzuschreiben, und die Zeit spielt in die Reflexionen des Autors über sich, seine Gegenwart und den verstorbenen Freund hinein.

Leverkühn hat einen Sinn für das Abgeschmackte, Klischeehafte, eine gewisse Kälte und ein Mangel an Liebe sind für ihn kennzeichnend. Als Komponist stellt sich ihm die Frage, wie man als Künstler schöpferisch tätig sein kann, wenn alles, was man schaffen kann, eigentlich schon bekannt ist. Wie kann es – über das ironische Zitat des schon Bekannten hinaus – einen Durchbruch zu wirklicher, nicht nachgemachter Kreativität geben? Eine Frage, die, in je unterschiedlicher Form und verschiedenen Zusammenhängen, auch in den Werken Georg Simmels, Martin Bubers oder in Kleists Essay »Über das Marionettentheater« angesprochen ist.

Adrian Leverkühns Weg ist am Ende der Teufelspakt – die Ansteckung mit Syphilis-Erregern, die – als die Krankheit aufs Gehirn übergreift – rauschhaftes Schaffen ermöglicht. Neben der Biographie Nietzsches, auf die hier angespielt ist, hat Thomas Mann u.a. die Zwölftonmusik Arnold Schönbergs und die Musikphilosophie Theodor W. Adornos in sein Buch eingebaut; aus dessen »Philosophie der neuen Musik«, die Thomas Mann in Teilen als Manuskript vorlag, sind, etwa im Dialog zwischen Leverkühn und dem Teufel, ganze Passagen zitiert (vgl. dazu auch »Die Entstehung des Doktor Faustus«).

Für mich haben die Bücher Thomas Manns oft etwas eher »Ideengeschichtliches«, das an Personen deutlich gemacht wird; sein Bruder Heinrich Mann ist mir da näher, da (für mein Empfinden) mehr bei den Menschen. Wie dem auch sei: Der »Doktor Faustus« ist für mich ein herausragender Roman – ein Werk über die Situation der Kunst, über Zeitgeschichte. Das Maß, das Mann – mit Adorno – an die Wahrheit von Kunst anlegt, ist heute, so scheint mir, in Vergessenheit geraten.