Rezension

Tod im Ruhrpott

Im Schatten der Zeche - Peter Kersken

Im Schatten der Zeche
von Peter Kersken

Bewertet mit 5 Sternen

Im Juni 1912 freut sich ganz Sterkrade auf den Beginn der traditionellen Fronleichnamskirmes. Für zwei Tage wollen die Bergarbeiter und ihre Familien die täglichen Sorgen vergessen und freuen sich auf Schausteller und Gaukler. Doch am Vorabend der Kirmes wird einer der angereisten Artisten – ein „Zwerg“ - erschlagen aufgefunden. Und nur wenige Meter neben ihm liegt ein erschossener Bergmann. Der Verdacht, dass es zwischen beiden Morden einen Zusammenhang geben muss, liegt nahe. Und Kriminalwachtmeister Zomrowski beginnt zu ermitteln…

Dieser Krimi gibt gute Einblicke in das Leben der Menschen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das Ruhrgebiet erfuhr damals einen enormen Bevölkerungszuwachs, die Einwohnerzahl hatte sich innerhalb von 100 Jahren praktisch verhundertfacht. Einen hohen Anteil an diesem Bevölkerungszuwachs stellten polnische Arbeiter, um 1912 sprach rund ein Drittel der Bergarbeiter an der Ruhr polnisch. Die Konflikte zwischen diesen Gruppen finden ebenso Platz im Buch wie die zwischen katholischen und evangelischen Christen und die zwischen Christen und Sozialdemokraten. So verweigerte beispielsweise ein katholischer Priester einem Bergarbeiter die Absolution, weil dieser Mitglied der SPD und Abonnent der sozialdemokratischen Zeitschrift „Volksfreund“ war.

Kurz vor Einsetzen der Handlung in diesem Buch fand der große Bergarbeiterstreik statt, bei dem etwa 60 Prozent aller Kumpel in den Ausstand gingen. Sämtliche Forderungen der Arbeiter wurden abgelehnt, in der Folge gab es reichlich Konfliktpotential zwischen Streikenden und Streikbrechern. Auch diese Thematik spielt in unserer Geschichte eine wichtige Rolle. Überhaupt hat der Autor geschichtlich sehr gründlich recherchiert, hat diverse reale Begebenheiten in den fiktiven Mordfall eingebaut. Darüber gibt es im Anhang ein sechsseitiges Nachwort mit vielen interessanten Daten zur historischen Realität.

Die Mordfälle selber werden von dem mir sehr sympathischen und menschlichen „Kriminalen“ Zomrowski ruhig und sorgfältig ermittelt. Die Faktenlage ist anfangs kompliziert, nichts scheint zusammen zu passen und er muss „Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen“ zusammensetzen. Dabei bedient er sich Methoden der „modernen Kriminalistik“ wie der „Fotografiererei“, die von seinen älteren Kollegen als „moderner Firlefanz“ angesehen werden. Das macht Spaß zu Lesen und ist trotzdem spannend.

Ich war sehr gespannt auf diesen Krimi, schließlich liegen die Tatorte praktisch vor meiner Haustür. Natürlich sind seitdem 100 Jahre vergangen, aber noch heute lassen sich stillgelegte Fördertürme bewundern, gehören die alten Zechen und ihre Siedlungen auf der „Route der Industriekultur“ zu touristischen Zielen. Und meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht – für mich wirklich ein tolles Buch!