Rezension

Toll geschriebene Märchen-Hommage

Grimm - Christoph Marzi

Grimm
von Christoph Marzi

Das Leben der jungen Vesper Gold gerät mit einem Mal aus allen Fugen: Zunächst wird sie durch die Straßen Hamburgs verfolgt und dann werden ihre getrennt lebenden Eltern tot aufgefunden.
Ein Schock für Vesper, ebenso wie die mysteriösen Umstände, die mit dem Tod ihrer Eltern verknüpft sind. Ein geheimnisvoller Brief und sein Inhalt führen Vesper auf eine gefährliche Spur. Begleitet von dem Studenten Leander Nachtsheim und dem geheimnisvollen Jonathan Andersen muss sie bald der Wahrheit ins Auge sehen: Die Grimmschen Märchen sind mehr als Phantasie und ihre Akteure sind der Menschheit nicht freundlich gesinnt...

Nachdem ich bereits die „Uralte Metropole“ verschlungen hatte, war es nur eine Frage der Zeit bis ein weiteres Buch Marzis den Weg in mein Regal finden würde. Begeistert von dem bunten und sehr schönen Cover, sowie dem Spannung versprechenden Klappentext griff ich zu.
Und tatsächlich, ich tauchte in eine fantastische Geschichte ein.
Bereits begeistert vom Schauplatz Hamburg, jene Stadt, die ich unbedingt mal sehen möchte, konnte ich mich auch mit den Protagonisten gut identifizieren. Vesper ist eine rebellische Einzelgängerin, ohne wirklichen Bezug zu ihrer Familie, die bereits vor Jahren zerbrochen ist. Schule ist ihr ein Graus, und nur das Theater bereitet ihr Freude.
Doch dann stirbt zunächst ihr Vater, dann ihre Mutter. Verfolgt von Wölfen, die jenen in ihren Alpträumen sehr ähnlich sehen, macht sie sich auf die Suche nach Friedrich Coppelius, und begegnet dort auch dem Studenten Leander Nachtsheim, dessen Eltern ebenfalls vor Kurzem umgekommen sind. Leander war zunächst sehr seltsam, doch je mehr man von ihm kennenlernt, umso sympathischer wird er. Er ruht in sich selbst, und bietet Vesper eine Stütze. Zwischen beiden entspinnt sich eine Liebesgeschichte, die unauffällig in die Geschichte eingebunden ist, und sich sehr angenehm entwickelt, sofern man außer Acht lässt, wie schnell die beiden einander näher kommen.
Sehr lieb gewonnen habe ich Ida, eine Freundin Vespers, die sich starke Sorgen um ihre Tochter macht, die wie alle Kinder plötzlich einschläft. Auch Jonathan Andersen war mir sympathisch, doch so ganz trauen konnte ich ihm die ganze Geschichte über nicht.

Besonders gefallen hat mir die Geschichte rund um die Bohemia, der Geheimbund, dem die Gebrüder Grimm und diverse Dichter und Maler angehörten. Ihre Bemühungen, die Welt zu schützen und aus welchen Beweggründen heraus, waren sehr angenehm eingebettet. Zentraler Dreh- und Angelpunkt: „Das Eismeer“ von Caspar David Friedrich.
Die ganze Geschichte harmoniert mit Marzis Schreibstil, der mir persönlich gut gefällt, denn er hat etwas spielerisch poetisches, so manchen Leser jedoch in den Wahnsinn treibt.
Ein Beispiel:
„Das Leben, das manchmal zu einem Sturm anwachsen konnte, hatte sie hier stranden lassen (...)“
(S.10)

Das Ende ist eine sehr überraschendes, aber auch trauriges und lässt einen betroffen zurück und einige Entwicklungen noch offen, doch es gefiel mir sehr gut, war vielleicht sogar das Beste an der ganzen Geschichte, die auch durch Dialoge und zerbrochene Charaktere lebt, die trotz allem Hoffnung haben. Es gibt auch ein paar Parallelen in „Grimm“ zur „Uralten Metropole“: Unter anderem die Spiegelaugen und das Verweben der eigenen Geschichte mit tatsächlichen Ereignissen/Personen und bereits bekannten Geschichten.

Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen und obwohl ich manchmal bei einigen Reaktionen stutzte, war ich tief drin und etwas unglücklich, als ich das Buch zuschlug.

Insgesamt vergebe ich 5 von 5 Bookworms.