Rezension

Tolle Idee mit blassen Figuren. Schade

Phantasmen - Kai Meyer

Phantasmen
von Kai Meyer

INHALT

"Eines Tages tauchten sie aus dem Nichts auf - die Geister der Toten. Millionen auf der ganzen Welt, und stündlich werden es mehr. Sie stehen da, bewegungslos, leuchtend, ungefährlich.
An der Absturzstelle eines Flugzeugs, mitten in Europas einziger Wüste, warten zwei junge Frauen auf die Geister ihrer verunglückten Eltern. Rain hofft, die Begegnung wird ihrer jüngeren Schwester Emma helfen, Abschied zu nehmen. Auch Tyler, ein schweigsamer Norweger, ist auf seinem Motorrad nach Spanien gekommen, um ein letztes Mal seine große Liebe Flavie zu sehen.
Dann erscheinen die Geister.
Doch diesmal lächeln sie.
Und es ist ein böses Lächeln."
Quelle CARLSEN

MEINE MEINUNG

Kai Meyer ist einer dieser Autoren, die mich durch meine Kindheit begleitet haben. Die fließende Königin gehörte damals zu meinen absoluten Lieblinsgbüchern, obwohl ich das Ende so furchtbar traurig fand. Seit langer Zeit habe ich nichts mehr von ihm gelesen, doch Phantasmen hat mich thematisch wieder sehr interessiert. Wie kann ich bei einer Geschichte über bösartige Geister schon widerstehen?

Doch Phantasmen schlug eine andere Richtung ein, als ich gedacht habe. Es geht zwar um die Geister und ihr böses Lächeln, doch im Grunde steckt noch viel mehr dahinter. Die Geschichte beschäftigt sich auch mit der Frage, was uns alle nach dem Tod erwartet. Was Menschen sehen, die eine Nahtoderfahrung haben. Und vor allem erzählt die Geschichte von den Konsequenzen, die eintreffen könnten, wenn diese Neugierde zur Besessenheit wird. 

Im Grunde ist es keine Geistergeschichte. Zumindest keine Spukgeschichte, wie man anfangs erwarten könnte. Es ist vielmehr nachdenklich, teilweise fast schon philosophisch. Und ein klitzekleines bisschen schwingt sie auch die Moralkeule. Es ist vielmehr ein Actionthriller als eine Geistergeschichte. Einer, der spannend ist und fesselt. Die große überraschende Enthüllung am Ende gab es für mich nicht, aber ich habe sie seltsamerweise auch nicht vermisst. Das fällt mir erst im Nachhinein auf. 

Was mich ein wenig gestört hat: die Löwen in Manhattan. Klar, im Bronx Zoo gibt es Löwen. Aber nicht im Central Park Zoo. Das heißt, die Löwen müssten über die Brücke von Bronx nach Manhattan gekommen sein. Wieso sollten sie ausgerechnet südlich nach Manhattan wandern und dabei auch noch eine Brücke überqueren (um die Ecke ist es auch nicht gerade), wenn nördlich von Ihnen viel mehr Raum ist und sie auf der Suche nach Nahrung die Ostküste entlangstreifen könnten? Natürlich ist es mit vielen, vielen Zufällen möglich, mir kam es trotzdem unwahrscheinlich vor. Und damit konstruiert. Lesern, die noch nie in New York waren, fällt das bestimmt nicht auf, aber ich war da und weiß einfach, dass es im CPZ keine Löwen gibt. 

Sprachlich liest es sich gut und schnell, konnte mich aber nicht mehr zu verzaubern wie früher. Ich-Erzählerin Rain ist ein bisschen blass geblieben, trotz ihrer Vergangenheit. Es hätte ein bisschen mehr Persönlichkeit in ihrer Erzählung stecken können. Generell bleiben die Figuren ein wenig unnahbar. Emma, Tyler, Haven, Rain, sie alle schweigen zunächst über ihre Vergangenheit, sie alle umgeben Geheimnisse. Ihnen allen hätte ein Klecks Farbe gut getan, etwas, das sie greifbarer macht.  

Eine Geistergeschichte mit erfrischend anderem Ansatz, mit viel Action und teilweise fast schon philosophischen Elementen.

3,5 von 5 Punkten
Cover 1/2 Punkt, Idee 1 Punkt, Plot 1/2 Punkt, Figuren 1/2 Punkt, Sprache 1 Punkt
~*~ CARLSEN ~*~ 400 Seiten ~*~ ISBN: 978-3-551-58292-8 ~*~ Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag ~*~ 19,90€ ~*~ März 2014 ~*~