Rezension

Tolle Stimmung und Grundidee, aber mehr nicht

Moorläufer. Im Reich des letzten Drachen
von Boris Koch

Bewertet mit 3.5 Sternen

Atmosphäre ist super, aber in den ersten 3/4 passiert leider nicht allzu viel. Mit Milan konnte ich auch nicht wirklich warm werden (3,5).

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

 

Aufmachung:

Das Cover ist ein richtiger Eyecatcher! Bis auf die Augen des Drachen ist es komplett in Naturtönen gehalten, trotzdem fällt es einem sofort in den Blick. Das liegt vermutlich an der düsteren Stimmung, die das Cover transportiert, und die die des Buches perfekt widerspiegelt. Toll finde ich auch die vielen kleineren Details, die erst auffallen, wenn man sich das Buch genauer ansieht, sowie die vielen Hinweise auf den Inhalt, die erst nach fortgeschrittener Handlung deutlich werden. Der Verlag hat hier mal wieder ganze Arbeit geleistet!

 

 

Meine Meinung:

Vom Inhalt bin ich leider nicht ganz sooo begeistert wie von der Aufmachung.

Das Buch ist mir nicht nur wegen des tollen Covers aufgefallen, sondern auch, weil ich bereits die „Dornenthron“-Dilogie des Autors gelesen und vor allem wegen des Schreibstils und der düsteren Stimmung sehr gemocht habe.

 

 

Auf etwas Ähnliches habe ich mich hier auch eingestellt; hinzu kommt, dass es hier augenscheinlich um einen Drachen, ein mystisches Moor und einen mysteriösen Tod gibt – alles Punkte, die eine atmosphärische, spannende Lesezeit versprechen.

Atmosphäre bekommt man hier auf jeden Fall auch, das ist einer der größten Pluspunkte dieses Buches! Bereits in den ersten paar Kapiteln wird man in die düstere Magie des Moors gezogen, man fragt sich, was es mit den Irrlichtern auf sich hat, und wann man wohl das erste Mal auf den mysteriösen Drachen trifft. Zu der drückenden Grundstimmung, die den wesentlichen Spannungsfaktor des Buches ausmacht, tragen auch die Dorfbewohner bei, die nicht gut auf den Protagonisten zu sprechen sind und sich dementsprechend ihm gegenüber verhalten.

Das hat mir alles sehr gut gefallen!

 

„‚[…] In der Nacht ist mir endgültig klar geworden, dass man zwar jederzeit sterben, aber ebenso auf die seltsamste Art gerettet werden kann. Das Leben ist manchmal verrückter, als jeder Spaßmacher es sich ausdenken kann. Und so habe ich an jenem Morgen beschlossen, über alles zu lachen und später unbedingt mehr Zeit mit meinen Enkeln zu verbringen.‘“ (S. 58/400)

 

 

Was mir dagegen weniger gut gefallen hat, ist das Erzähltempo, das einen durch „Moorläufer“ führt. Es dauert gut ¾ des Geschehens, bis die Handlung wirklich mal in Fahrt kommt. In der Regel habe ich gerade bei High Fantasy nicht wirklich was dagegen, wenn das Buch länger braucht, um einen in seine Welt einzuführen – es ist oft ja auch nicht gerade wenig, womit der Leser konfrontiert wird. Allerdings handelt es sich bei „Moorläufer“ um einen Einzelband; das Buch hat also nur seine 400 Seiten, um dem Leser die gesamte Geschichte zu erzählen und kann nicht noch auf Folgebände verweisen. In so einem Fall wünsche ich mir dann schon, dass das Erzähltempo spätestens ab der Hälfte angezogen wird, damit man sich auch der Handlung hingeben kann und nicht immer darauf warten muss, dass etwas passiert. Dem ist hier nicht so. Der Großteil des Buches handelt davon, wie Milan zum Moorläufer wird, dass er durch die Moore läuft, sich verliebt und über seine Rachegedanken dem Nachtwyrm gegenüber. Das alles fühlt sich also eher wie eine sehr langatmige Einleitung an, von einer tatsächlichen „Handlung“ kann dagegen erst zum Ende hin gesprochen werden.

 

Das wiederum hat mir dann besser gefallen, nicht nur, weil endlich etwas passiert, sondern auch weil ich die Wendung zwar vorhersehbar, aber sehr originell und vor allem sehr passend zum restlichen Buch fand. Damit wurden einige Fragen beantwortet – wenn auch längst nicht alle. Es bleibt einiges offen und ungeklärt, was ich grundsätzlich nicht unbedingt schlecht finde (gerade für einen Fantasy-Einzelband bietet sich ein offenes Ende häufig an, da man eine neue Welt ja oft nicht vollständig in ein einziges Buch fangen kann), aber hier geht man dann doch mit einem eher unbefriedigtem Gefühl aus der Geschichte hinaus.

Dazu trägt im Übrigen auch das Erzähltempo bei: Während die ersten drei Viertel fast schon schleichend vorangehen, rast das Finale nur so an einem vorbei. Man hat dadurch nicht wirklich das Gefühl, dass die Stränge innerhalb der Handlung in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinander stehen. Die Schnelligkeit, mit der die Lösung präsentiert wird, hinterlässt bei einem ein „Das soll es jetzt gewesen sein?“-Gefühl, das daher rührt, dass dieses letzte Viertel vom Tempo her nicht zum Rest der Geschichte passt.

 

 

Zuletzt bin ich auch mit Milan nicht richtig warmgeworden. Zwar kann ich seine Gefühle und Handlungen durchaus nachvollziehen, und ich finde auch, dass er sich stets seinem Alter entsprechend – man begleitet ihn von seinem zwölften Lebensjahr bis in sein Teenageralter – verhält, ohne dabei zu impulsiv oder unbeherrscht vorzugehen. Er muss sich schon früh gegen einen unzufriedenen Vater wehren, gegen ein ganzes Dorf, das sich aus einem Grund, der nichts mit ihm zu tun hat, gegen ihn gewandt hat, und später sogar gegen seine enttäuschte Mutter. Da wäre es sogar verständlich, wenn er wütend und impulsiv gehandelt hätte; trotzdem ist er stets besonnen und denkt über die Folgen seines Handelns nach. Seine Wut bemerkt man dabei aber dennoch, und natürlich geht er dann auch mal über die eine oder anderer Grenze hinweg. Alles in allem ist er also eine sehr gut geschriebene Figur, in die man sich eigentlich gut hineinversetzen könnte.

Ich konnte zu Milan allerdings keine Bindung aufbauen. Woran genau das gelegen hat, kann ich dabei aber nicht sagen; vielleicht lag es an dem eher distanzierten Schreibstil aus der 3. Perspektive, auch wenn ich damit normalerweise weniger Probleme habe.

Manchmal ist es aber auch einfach so, dass man mit Protagonisten nicht warmwird, genauso, wie man manchmal jemandem im echten Leben ohne bestimmten Grund einfach nicht leiden kann; so ein Fall wird es wohl hier sein.

 

 

Fazit:

„Moorläufer“ ist ein High Fantasy-Standalone, das vor allem mit seiner atmosphärischen, düsteren und mystischen Grundstimmung punkten kann. Auch die Grundidee mit einem magischen Moor, in dem Irrlichter die Menschen zum tödlichen Nachtwyrm führen wollen, und Moorelfen, die nichts Gutes im Sinn haben, hat mich sehr angesprochen.

Die Umsetzung ist insbesondere hinsichtlich des Erzähltempos meines Erachtens nicht so gut gelungen, wie es hätte sein können. Der Großteil der Erzählung fühlt sich wie eine lange Einleitung an, während das Finale viel zu schnell vorbei ist. Es bleiben zu viele Fragen offen, als dass man zufrieden aus dem Buch geht, die großen Wendungen sind zwar originell, aber vorhersehbar und schließlich konnte ich mich auch mit dem Protagonisten nicht anfreunden.

Daher gibt es 3,5/5 Lesehasen von mir.