Rezension

Towanda!

Fried Green Tomatoes at the Whistle Stop Cafe -

Fried Green Tomatoes at the Whistle Stop Cafe
von Fannie Flagg

Bewertet mit 5 Sternen

Vom Lieblingsfilm zum Lieblingsbuch? Ich sage nur: Towanda! Gelesen habe ich die Deutsche Ausgabe, die hier leider nicht gelistet ist...

Am Abend ihres Lebens ist Ninny oft einsam. Während die anderen Bewohner des Pflegeheims zumindest ab und zu Besuch bekommen, wartet sie vergeblich. Das ändert sich, als sie die unscheinbare Evelyn kennenlernt und sich mit ihr anfreundet. Bald lädt Ninny sie ein, mit ihr in die Vergangenheit zu reisen, nach Whistle Stop, Alabama. Dort hielten die Menschen noch zusammen, wenn es darauf ankam. Herz des Ortes war das Café von Idgie und Ruth. Hier musste niemand bezahlen, der es nicht konnte, und auch füreinander waren die Freundinnen immer da - besonders, als Ruth gewalttätiger Ehemann auftauchte... (Verlagsbeschreibung)

Dieser Roman lag bei mir sträflich lange auf dem SuB - nicht weil ich Sorge hatte, dass er mir nicht gefallen könnte, sondern weil ich das Schöne immer noch ein wenig vor mir herschieben wollte. Denn ich war mir sicher: das Buch zum Lieblingsfilm kann einfach kein schlechtes sein. Der Film - seinerzeit im Kino erschlichen, nachdem eine Freundin und ich etwas enttäuscht aus einer anderen Vorführung kamen und kurzerhand einfach den Kinosaal wechselten ohne für den weiteren Film zu zahlen. Und wie fasziniert wir waren! Wir rannten im Anschluss in der Nacht durch die Straßen und riefen lachend: "Towanda!" Diesen Eindruck immer noch lebendig vor Augen begab ich mich nun endlich an die Lektüre.

Natürlich legt ein Film eigene Schwerpunkte und setzt eine Romanvorlage nicht 1:1 um - das weiß man ja schon von anderen Titeln her. Glücklicherweise blieb hier eine Enttäuschung aus, denn oft ist es ja so, dass man das eine mag, das andere dann aber nicht. Ja, das Buch ist anders als der Film, aber vieles habe ich wiedererkannt und mich darüber gefreut. Auch der Roman berührt, wenn auch knapper und distanzierter als der Film, weil er breitgefächerter vom Leben in Whistle Stop, Alabama berichtet. Im Buch wird eine ganze Bandbreite von Menschen vorgestellt, die die Hauptcharaktere teilweise zumindest für kurze Zeit in den Hintergrund treten lassen. So manches Mal fragte ich mich auch, wer derjenige überhaupt nochmal war. Aber der gesamten Stimmung tat dies keinen Abbruch. Zum Glück.

Im Roman zieht sich ein klarer Aufbau durch: es gibt abwechselnd eine kleine Zeitungsnotiz rund um das Leben in dem winzigen Örtchen Whistle Stop, Alamama, ab 1929, dann folgen Episoden aus der Gegenwart im Pflegeheim in Birmingham, Alabama, ab 1986, in denen Mrs. Cleo Threadgoode erzählt und dabei ihre Zufallsbekanntschaft Evelyn Couch in die Vergangenheit entführt, und schließlich gibt es längere Rückblenden in die Vergangenheit in Whistle Stop, die aus einer auktorialen Erzählperspektive heraus präsentiert werden. Während die längeren Rückblenden die Handlungen einer Person länger verfolgen, dienen die kurzen Zeitungsnotizen dazu, die Verhältnisse in dem kleinen Örtchen allgemein zu präsentieren ohne auf jemandem im Speziellen einzugehen - außer vielleicht auf den trotteligen Ehemann der Verfasserin. Was jedenfalls recht amüsant ist.

Der Wildfang Idgie Threadgoode und ihre ruhige Partnerin Ruth Jamison sind die Betreiberinnen des Cafés in Whistle Stop, in dem sich der ganze Ort trifft und in dem auch die Obdachlosen und die Schwarzen ihre Mahlzeiten erhalten, auch wenn das einigen Weißen und dem Ku-Klux-Klan bitter aufstößt. Aber die beiden Frauen haben eben ihre ganz eigene Messlatte, und vor allem Idgie hat keine Mühe damit allen klar zu machen, dass sie es gewohnt ist das zu tun was sie will und für richtig hält, und dass sie sich von niemandem etwas vorschreiben lässt. Neben dem Barbecue sind es u.a. die Grünen Tomaten, für die das Café über die Grenzen von Whistle Stop hinaus bekannt ist, abgesehen mal von der Großzügigkeit der Betreiberinnen. Vor allem Idgie Threadgoode in ihrer unangepassten aber kompromisslos loyalen Art wächst einem von Anfang an ans Herz.

In der Gegenwart sind es Ninny Threadgoode, die Schwägerin von Idgie, und Evelyn Couch, die einem allmählich näher kommen. Dabei erscheint Evelyn zunächst unnahbar, wenngleich auch unglücklich und ratlos, da sie mit ihrem eintönigen Leben hadert. Wechseljahre, so die gnadenlose Diagnose von Ninny Threadgoode, die in ihrem 86jährigen Leben schon alles gesehen hat. Sie ahnt jedoch nicht, wie weit die überdrüssigen und lebensmüden Gedanken von Evelyn gehen. Evelyn begleitet ihren Mann allwöchentlich ins Altersheim zu ihrer Schwiegermutter, doch da besteht wechselseitig keine besonderen Zuneigung, weshalb Evelyn ihre Zeit lieber mit Schokoriegeln und süßen Getränken totschlägt. Bis sie Ninny kennenlernt und Selbstwertgefühl und Lebensmut allmählich wieder zunehmen. Towanda sage ich nur! Eine Lieblingsszene in Film und Buch!

Hach, ich mag den Roman einfach, das behutsame Eintauchen in die vergangene Welt in Alabama, die liebenswerten Figuren, arm aber voller Menschlichkeit, die Erzählung von Ninny Threadgoode, die positive Entwicklung von Evelyn. Eine Geschichte über moralische Werte gegen Vorurteile und Zuschreibungen, über Liebe, Mut und Loyalitäten, voller Wärme und Humor. Ein Herzensbuch.

Alt? Ja. Immer noch schön? Unbedingt. Lesen!

 

© Parden