Tragödien auf der "Insel der Edlen"
Drei neue kurze Erzählungen von dem chinesischen Erfolgsautor Dai Sijie: Sie spielen alle auf der "Insel der Edlen", doch hier ist der Name wahrhaftig nicht Programm: Auf der Insel werden Wertstoffe recycelt, und was so umweltbewusst klingt, ist das Gegenteil. Durch den ständigen Kontakt mit Schwermetallen sind viele Bewohner schwerst geschädigt; sie leiden an Gedächtnisverlust, mangelnder Impulskontrolle und Persönlichkeitsstörungen. Die Hauptperson der ersten Geschichte ist ein Junge ohne Namen, der an Progerie leidet, dessen Körper also schon vergreist ist. Aufgrund seines Aussehens ist er das perfekte Opfer für eine Verwechslung, einen absichtsvollen Austausch. Das Kind träumt von einer Karriere im Zirkus und lässt sich auf das Rollenspiel ein - welche Folge es für ihn haben wird, ist ihm nicht bewusst. Auch die beiden anderen Geschichten enden bitter.
Alle drei Geschichten sind anrührend und nehmen den Leser auf eine Gefühlsreise mit. Der Text auf der Buchrückseite verspricht "drei wahrhaft tragikomische Leben, geschildert mit bezaubernder Leichtigkeit" - diese Charakterisierung finde ich unzutreffend. Komik habe ich nicht entdecken können, wo doch in jeder Erzählung ein bestürzender Todesfall vorkommt. Das Buch kann ich wärmstens weiterempfehlen und wünsche mir für eine neue Auflage einen neuen Umschlagstext.