Rezension

Traum von einem unentdeckten Land

Free Fall - David Wiesner

Free Fall
von David Wiesner

Bewertet mit 5 Sternen

Mit "Free Fall" sprengt David Wiesner das Medium Buch. Seine Traumgeschichte kann ich mir in Form eines Frieses in der Eingangshalle einer Schule vorstellen oder auch als Bildrolle. Auf dem Schmutztitel, dem Blatt vor dem Titelblatt, erinnert der sanfte Übergang von karierter Bettwäsche in eine Landkarte an Werke Esschers. Das Karodekor begenet uns wieder auf der Bettdecke eines Jungen, der mit seinem Buch im Arm eingeschlafen ist. Ein Windstoß blättert das Buch auf, öffnet ein kleines Kästchen und bläst eine ramponierte Landkarte über eine Heckenlandschaft. Die Heckenlandschaft wandelt sich zu einem Schachbrett; der Held der Geschichte wandert zwischen edel gewandeten Schachfiguren entlang. Das Schachbrett geht in eine prächtige Burganlage mit unendlich vielen Details über. Ein Labyrinth ist zu erkennen, Boote segeln den Burggraben entlang. Doch nichts ist wie es scheint, der kleine Schlafwandler hat auf den Zinnen ein unangenehmes Erlebnis mit einer Ritterrüstung. Ein Drache mit strahlend grünen Augen liegt zwischen Bäumen, gesichtslose Figuren steigern den Gruselfaktor. In einem Stapel alter Bücher werden Junge, Drache und einer der Augenlosen wieder zum Teil der gedruckten Geschichte. Der Abenteurer im Schlafanzug wird in seinen Proportionen zum Gulliver, der die Schachfiguren wie Lilliputaner betrachtet. Die Burgmauer wird zum Felsen; eine Karawane auf dem Schweinerücken ist im Gebirge unterwegs, der Held immer noch im blauen Schlafanzug. Die Welt bleibt im Verhältnis winzig, fünfstöckige amerikanische Sandsteinhäuser zerfallen wie Puppenhäuser in einzelne Flächen, die auf ihrer Rückseite Landkarten tragen. Aus der Vogelperspektive betrachtet fügen die Landkartenabschnitte sich wieder in die reale Welt ein. Über ein schachbrettartiges Meer führt die Reise auf dem Rücken eines Schwans zurück ins Bett an den Ausgangspunkt der Geschichte. Alles nur geträumt? Wären da nicht zwei Schachfiguren auf der Bettdecke.

Trotz einiger düsterer Szenen eignet sich das textlose Buch für alle Kinder, die Freude am Entdecken winziger Details haben.