Rezension

Traurige, aber schöne Chinareise

Im blauen Licht der Nacht - Michelle Richmond

Im blauen Licht der Nacht
von Michelle Richmond

Eine schöne Chinareise, die wunderbar beschrieben ist, ein Beziehungs-Hin-und-Her, das leider etwas sehr in den Vordergrund drückte und ein Todesfall, der schon lange zurückliegt, aber immer noch Auswirkungen in die Zukunft hat. Eine Mischung, die mich gut unterhalten hat, aber doch nicht vom Hocker reissen konnte.

Die Geschichte wird aus Jennys Sicht erzählt, ihre Erfahrungen und Gefühle auf der Schifffahrt, ihren Umgang mit Dave, die Begenung mit Graham und ihren Blick auf China. Unterbrochen werden die Szenen von Erinnerungen, Rückblicke auf ihr Leben mit Amanda, bevor sie starb. Momente eines glücklichen Sommers, blaue Nächte und die Liebe zu ihrer Heimat. Jedoch auch Erinnerungen an die Hetzjagd nach Amandas Tod, die polizeilichen Befragungen und ihre Trauerverarbeitung. Das alles hat die Autorin sehr authentisch geschrieben, weswegen ich schon vermutete, dass die Autorin viel aus eigenen Erfahrungen schöpft. Mit Blick auf ihre Webseite bestätigt sich diese Vermutung, denn die Geschichte spielt in der Ortschaft, wo die Autorin aufwuchs. Und auch die Autorin reiste den Jangste-Fluss hinauf.

Diese Erfahrungen führen zu detaillierten, recherchierten und wunderbaren Beschreibungen der Landschaft, dem Fluss-Damm (ein Projekt der Regierung) und seine Auswirkungen auf das Volk, die Flora und Fauna sowie den Fluss selbst. Dabei spürt man auch deutlich die Meinung der Autorin zu diesem Projekt, die Rolle von westlichen Touristen und chinesischer Kultur und Fortschritt. Die Beschreibungen und Chinakenntnisse zeugen ausserdem von einer guten Beobachtungsgabe, wodurch sie es schafft, imposante Bilder im Kopf des Lesers entstehen zu lassen.

Die Beziehungen zwischen den Figuren rückte leider mehr in den Vordergrund als erwartet. Gerne hätte ich mehr über die Aufklärung von Amandas Tod erfahren, mehr darüber, wie es dazu kam. Einfach ein wenig mehr Krimiroman. Doch die Rückblicke sind nur kleine Ausschnitte, meist recht faktisch erzählt und wenig spannend. Die Erinnerungen an Amanda als sie noch lebte, sind sehr gefühlvoll beschrieben, weswegen ich die Lebhaftigkeit der Gefühle all der Jahre nach ihrem Tod stärker erwartet und erhofft hätte. Die Affäre von Dave und die Begegnung mit Graham waren zudem sehr voraussehbar und deswegen auch wenig spannend. Das Geheimnis von Graham wird früh aufgedeckt und nimmt ein bitteres Ende, obwohl dies auch früh voraussehbar war. Die Hauptperson Jenny überraschte mich am meisten, da sich das Bild, das ich erst von ihr machte, sich ganz anders entwickelt als erwartet.

Grundsätzlich zu loben sind also die Beschreibungen, China und die Authentizität der Geschehnisse. Bemängeln muss ich allerdings, das Fehlen von Spannung, die ich eigentlich bei einem "gewaltsamen Tod" erwartete und die für meinen Geschmack manchmal zu vielen Beziehungsdiskussionen.
 

3,5 / 5 Sterne