Rezension

Trotz des dystopischen Titels eine unterhaltsame Satire

Unser letzter Tag -

Unser letzter Tag
von Stefan Suchanka

Bewertet mit 4 Sternen

REZENSION – Sieben Menschen, alle etwa so alt wie der 39-jährige Romanautor, haben noch 13 Stunden und genau 42 Minuten zu leben, bis ein unaufhaltsam auf die Erde zurasender Asteroid um 20:12 Uhr alles Leben auslöschen wird. In sieben Kapiteln, inhaltlich aufgeteilt in die sieben biblischen Todsünden Hochmut, Habgier, Wollust, Wut, Maßlosigkeit, Neid und Trägheit, begleiten wir in Stefan Suchankas Debüt „Unser letzter Tag“, im Mai im Kirschbuch Verlag erschienen, diese sieben Menschen während ihrer letzten Stunden. Was sich anhört, wie eine düstere Dystopie, entpuppt sich allerdings als ein durchaus unterhaltsames Szenario um sieben Freunde, von denen jeder für sich seinen ganz eigenen Lebensweg gegangen ist, die aber alle über die gemeinsame Schul- und Jugendzeit doch irgendwie miteinander verbunden sind und nun durch ihren gemeinsamen Jugendfreund Ludwig wieder zusammenfinden.
Für jede Sünde, jede Charaktereigenschaft steht im Roman eine Person: Die erfolgreiche Künstlerin Larissa steht für den Hochmut, ihr früherer Lebensgefährte Alexander, der für Geld seine Liebe opferte, für Habgier. Der Möchtegern-Musiker Franco neidet nicht nur Larissa und Alex den Erfolg, sondern missgönnt ihn jedem, und Neonazi Peter ist wütend auf das herrschende System. Die wollüstige Jacqueline betrügt ständig ihren voller Trägheit unentschlossenen Ehemann Kevin und die verfressene Inga steht symbolisch für Maßlosigkeit. Mit ihnen allen trifft sich Ludwig in den noch verbleibenden Stunden. Man unterhält sich über alte Zeiten, über verpasste Chancen, über Fehlentscheidungen. Und alle treffen an ihrem letzten Tag früher oder später auf Kaczmarek. Er ist der unvoreingenommene Fremde, der als emotionsloser Beobachter seinen Gesprächspartnern die Maske vom Gesicht zieht und ihre Lebenslügen aufdeckt. Von ihm müssen sie sich fragen lassen, ob jenes Leben, das sie bisher geführt haben, tatsächlich das Leben ist, das sie einst leben wollten. Kaczmarek konfrontiert die Sieben mit der Wahrheit über sich selbst und gibt ihnen den Anstoß, ihr bisherigen Verhalten und Handeln zu überdenken und zu ändern.
Würdest du heute dein Leben ändern, wenn es kein Morgen mehr gäbe? Diese Frage richtet Autor Suchanka an uns Leser und hält uns in gewisser Weise den Spiegel vor. Denn irgendwie entsprechen diese charakterlich so unterschiedlichen Menschen uns allen. Jeder Leser mag sich in dem einen oder anderen Punkt doch irgendwie wiedererkennen. Jeder von uns hat in seinem Leben Fehlentscheidungen getroffen, egoistisch gehandelt, einen Mitmenschen verletzt. Doch Suchanka urteilt oder verurteilt nicht. Er gibt uns Lesern lediglich die Anregung, schon heute unser bisheriges Handeln zu überdenken und nicht erst auf „unseren letzten Tag“ zu warten. Sein Romandebüt ist ein Appell, frühzeitig und immer wieder über den Sinn des eigenen Lebens nachzudenken, und zugleich die Erinnerung an die individuelle Freiheit zur eigenen Lebensgestaltung.
Ob der schon als ,Bestseller von morgen’ gewürdigte Roman die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllen wird, mag sich erweisen. In jedem Fall ist „Unser letzter Tag“ trotz des dystopischen Titels und des im Roman drohenden Weltuntergangs bei allem philosophischen Hintersinn eine wider Erwarten recht locker und liebevoll geschriebene, deshalb leicht lesbare und unterhaltsame Satire.