Rezension

Trotz zweier Weltkirge - ein Buch voll Poesie

Der Duft des Regens auf dem Balkan - Gordana Kuic

Der Duft des Regens auf dem Balkan
von Gordana Kuić

Bewertet mit 5 Sternen

Die Autorin entführt die Leser in die oft unbekannte Welt einer jüdischen Familie. Als Nachfahren sephardischer (=spanischer) Juden lebt die Familie Salom in Sarajevo. Man spricht „ladino“, einen spanischen Dialekt.

Die Hauptfiguren sind Estera Salom und ihre fünf eigenwilligen Töchter. Jede von ihnen stellt sich gegen die Tradition der jüdischen Gemeinschaft und der traditionellen Gesellschaft am Balkan. Jede Tochter macht etwas zum „ersten Mal“. Sei es, dass sie ein Geschäft eröffnet (Nina), dass sie Ballerina (Riki) wird, dass sie unverheiratet mit einem Mann zusammenlebt (Blanki) oder die Konfession wechseln. Die Männer der Familie spielen nur eine Nebenrolle.

Als Zeitrahmen hat die Autorin einen sehr weiten Bogen gespannt: der Roman beginnt mit dem 28. Juni 1914, dem Tag an dem der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin ermordet werden. Wir begleiten die Familie durch die wilden Zwanziger Jahre, nehmen Anteil am heraufziehenden Nationalsozialismus, der auch vor dem (damaligen) Königreich Jugoslawien nicht halt macht und erleben Flucht und Vertreibung im Zweiten Weltkrieg mit.

Die Erzählperspektive ändert sich, je nachdem welche Tochter gerade im Mittelpunkt des Geschehens steht.

Die Erzählsprache ist stellenweise sehr poetisch. Die Gräuel beider Weltkriege werden nur angedeutet.

Die teilweise in „ladino“ gehaltenen Dialoge werten die manchmal langatmigen Gespräche auf.

Völlig unaufgeregt und sehr subtil bringt uns Gordana Kuic die wechselvolle Geschichte Jugoslawiens vor Josip Broz Tito näher.

Ich finde das Buch großartig. Als Österreicherin ist die Nähe zum Balkan omnipräsent. Der Zerfall Jugoslawien 1991 in die einzelnen Staaten lässt sich nach der Lektüre dieses Buches auch nachvollziehen.

Ich vergebe glatte 5 Sterne. Unbedingt lesen!