Rezension

Über den eigenen Schatten springen und die Flügel ausbreiten

Weil wir Flügel haben - Vanessa Diffenbaugh

Weil wir Flügel haben
von Vanessa Diffenbaugh

Bewertet mit 5 Sternen

Lettys Vater ist in seine alte Heimat Mexiko gefahren, um seine schwer kranke Mutter zu betreuen. Eigentlich war geplant, dass er an einem bestimmten Tag wieder zurück kommt, doch der Tag verstreicht. Deshalb entscheidet sich Lettys Mutter Maria Elena ihm zu folgen. Vor lauter Verzweiflung sich alleine um ihre zwei Kinder, Alex und Luna zu kümmern, folgt sie ihrer Mutter nach Mexiko. Denn sie vermutet, dass beide nicht mehr in die USA zurück kommen werden. Sie schafft es nicht, die zwei zu überzeugen und auf ihrem Heimweg, verletzt sie sich bei einem Autounfall und bleibt noch länger von ihren Kindern getrennt. 
Zuhause angekommen, erkennt sie, dass sie endlich für Alex und Luna eine richtige Mutter werden muss. Bisher hat sie nämlich immer den vermeintlich leichteren Weg genommen und ihrer eigenen Mutter die Verantwortung überlassen. 
Sie erkennt recht bald, dass sie Beruf und Kinder nicht so einfach unter ein Hut bringen kann. Alex Vater taucht überraschend wieder auf und der neue Kollege Rick steht ihr hilfreich bei. 
Meine Meinung:
Vanessa Diffenbaughs Debütroman "Die verborgende Sprache der Blumen" hat mir so gut gefallen, dass ich ganz erfreut war zu lesen, dass es ein weiteres Buch der Autorin geben wird. 
Ihre Schreib- und Erzählweise fand ich äußerst ansprechend und gelungen. So auch in dieser Geschichte, die in einem Milieu spielt, das mir eigentlich völlig fremd ist. Mexikanische Einwanderer in den USA sind mir zwar aus Film und Fernsehen bekannt. Ihre Schicksale gehen immer wieder mal durch die Medien, aber so richtig hinter die Kulissen blickte ich noch nie. Ich weiß zwar nicht, wie genau deren Welt aussieht, aber ein Teil Wahrheit wird auch dieser Geschichte zu Grunde liegen.
Letty wurde in den USA geboren, auch ihre Kinder - somit sind sie Amerikaner. Nicht so ihre Eltern, denen damit der Zugang zu sämtlichen Einrichtungen, wie Krankenversorgung, Bildung, Bankwesen und Behörden verwehrt bleibt. Vielen Emigranten geht es so. Die vielen "illegalen" fallen durch den Rost und leben ohne soziales Netz. Genau hier setzt die Geschichte an. Zwar sind Letty, Alex und Luna Amerikaner, sie leben allerdings am Rande der Gesellschaft und im falschen Stadtviertel. Damit bleibt ihnen nichts anderes übrig, als in Schulen zu gehen, die zu wenig Geld haben, um vernünftigen Unterricht zu bieten. Nur durch einen Umzug wäre es möglich in eine gute Schule zu gehen. Aber dort sind die Mieten meist unerschwinglich. Somit dreht sich eine ganze Gesellschaftsschicht im Kreis, ohne Hoffnung auf Besserung ihrer Situation.
Aber jetzt kommt die Hoffnung ins Spiel. Letty kämpft ihre eigenen Dämonen nieder und nimmt das Zepter in die Hand. Ohne Unterstützung ihrer Mutter, die ich als sehr egoistisch sehe, betritt sie Neuland und springt über ihren eigenen Schatten. Sie akzeptiert Hilfe, wenn sie ihr angeboten wird und vor allem beginnt sie ihr Potenzial zu nutzen. 
Als Alex Vater Wes wieder in ihr Leben tritt, hat sie gerade ein wenig Vertrauen in ihren Kollegen Rick gefasst. Sie hat die Erinnerung an ihre erste große Liebe Wes niemals begraben und damit auch die Hoffnung auf ein gemeinsames Leben, aber ihrer beiden Leben sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Rick dagegen versteht ihre Sorgen und Nöte, aber er weiß auch nicht, wie er mit dieser neuen Situation umgehen soll. 
Fazit:
Eine sehr lesenswerte Geschichte, die nicht ins Kitschige abrutscht. Sie bleibt realistisch und hat mich zum Nachdenken gebracht. Mir ist klar, dass es authentischere Bücher rund um Einwanderer geben wird, jedoch macht dieses mich erstmals neugierig mich ein wenig mehr mit deren Leben und Schicksalen zu beschäftigen.