Rezension

Über die Suche nach Freiheit und Identität

Und der Duft nach Weiß - Stefanie Gregg

Und der Duft nach Weiß
von Stefanie Gregg

Bewertet mit 5 Sternen

INHALT
Dieser Roman berichtet von zwei menschlichen Einzelschicksalen in Bulgarien. 

1968 wird der geniale, aber regimekritische Schriftsteller Georgi Markow zur Ausreise aus Bulgarien gezwungen. Der Staat sitzt ihm im Nacken und verfolgt sein Tun sogar bis in seine neue Heimat - London. Dort arbeitet er als Radiomoderator beim BBC und nutzt seine Position zur Kritik an Staat und Präsidenten Todor Schwikow. Infolge wird der Abtrünnige durch das sog. "Regenschirmattentat" getötet.

1995 reist die Bulgarin Anelija mit ihrem Freund Enno von München in ihr Heimatdorf Radilovo, nahe Sofia. Sie will ihre noch lebende Baba, Großmutter, besuchen, bei der sie aufgewachsen ist. Als sie 5 Jahre alt gewesen ist, floh ihre Mutter Nadja nach Deutschland und ließ Anelija in Bulgarien zurück. Anelijas Kindheit in der kommunistischen Diktatur ist alles andere als schön, nämlich entbehrungsreich und voller Pflichten. Auf dem Weg zu ihrer Baba rekapituliert sie noch einmal ihre Kindheit.

MEINUNG
Die Autorin Stefanie Gregg hat für ihren Roman "Und der Duft nach Weiß" sehr gute Recherchearbeit geleistet. Um das historisch verbriefte Regenschirmattentat spinnt sie die fiktive Geschichte von Anelija. Gregg nimmt den Leser gekonnt mit in das kommunistische Bulgarien der 1970er- und 1980er-Jahre. Ein Staat, in dem die Partei alles und der Mensch nichts bedeutete. Auch wenn Anelija auf einem Dort aufwächst, so bekommt sie relativ früh die Ambivalenz des selbst ernannten "gerechten Staates" zu spüren, indem sie zu politischen Dingen nie offen ihre Meinung sagen darf und auch sonst sich regimetreu verhalten muss. Hinzu kommt, dass sie ohne ihre Mutter und den ihr unbekannten Vater groß wird. Ihre wichtigsten Bezugspersonen sind ihre zwei Babas. Die Lästereien der Leute erträgt sie stoisch, doch auch sie träumt von einem besseren Leben ohne Armut und Entbehrungen. Ihre Geschichte, die Lebensumstände zur damaligen Zeit etc, einfach alles, was die Autorin in ihren Plot einbindet, wirkt ungemein authentisch und spannend. Sie erzählt vom wahren Leben und beschönigt nicht, was mir sehr imponiert hat. Zudem habe ich historisch einiges dazulernen können und fühlte mich das ein oder andere Mal an die Verhältnisse in der DDR erinnert.

Anelijas und Georgis Lebensgeschichte hat mich auf unterschiedliche Weise betroffen gestimmt. Beide sind mutige Charaktere, die ungewollt zu Vertriebenen wurden, und mich einfach durch ihre realistische Anlage überzeugen konnten. 

Die Sprache ist reich an Metaphern und nimmt durch ihre Genauigkeit gefangen. Ich habe dieses Buch mit viel Freude und Neugier gelesen. Besonders die emotionalen Stellen, ob nun Anelijas Flucht oder Georgis Verfolgungswahn, haben mein Interesse gefunden. 

Den Titel fand ich erst etwas fragwürdig, aber im Laufe der Handlung hat sich mir der Sinn dahinter erschlossen. Die Farbe Weiß steht im Fall von Anelija für Sauberkeit und die Briefe ihrer Mutter Nadja und damit für die große, freiheitliche Welt. 

Insgesamt hat mich die Lektüre dieses in sich stimmigen Buchs sehr nachdenklich gemacht. Man wird sich bewusst, welches Glück Demokratie bedeuten kann. 

FAZIT
Ein spannendes, historisch gut aufbereitetes Buch, das mitreißt und lange nicht mehr loslässt. Verdiente 5 Sterne.