Rezension

Über Freundschaft und Selbstfindung

Radio Silence - Alice Oseman

Radio Silence
von Alice Oseman

Bewertet mit 5 Sternen

"Radio Silence" spielt in demselben Universum wie "Solitaire" oder eben auch die "Heartstopper"-Comics, wenn auch mit unterschiedlichen Protagonist*innen, unterschiedlicher Handlung und zu unterschiedlichen Zeitpunkten,sodass man die anderen Bücher nicht gelesen haben muss. Wenn man sie allerdings kennt - Aled ist in den "Heartstopper"-Comics ein Freund von Charlie und auch sonst gibt es ein paar Cameo-Auftritte und Anspielungen auf "Solitaire" für diejenigen, die das Debut kennen, was ich ganz cool fand.

Ich muss sagen, mir fiel es schwer, mit Frances warmzuwerden, was in erster Linie daran liegt, dass ich ihre Einstellungen in Bezug aufs Lernen nur bedingt nachvollziehen konnte und wir uns diesbezüglich unterscheiden. Frances verwendet ihre ganze Zeit darauf, zu lernen und den Stoff zu wiederholen, richtet ihr ganzes Leben darauf aus, möglichst gute Noten zu bekommen und in Cambridge aufgenommen zu werden und kehrt sich so zum Beispiel auch nicht sonderlich viel um ihre Freundinnen.
Natürlich ist genau das auch der Konfliktpunkt der Handlung, aber ... na ja, das zu wissen, machte es trotzdem nicht leichter, an sie heranzukommen. Aber irgendwann merkte ich, dass ich angefangen hatte, sie zu mögen. Und auch Aled schloss ich irgendwann in mein Herz, der anfangs extrem schüchtern ist, den man dann aber immer besser kennenlernt.

Was die beiden verbindet, ist das Nerdtum, was dadurch natürlich auch einen gewissen Raum einnimmt. Frances zeichnet Fanart für den Online-Podcast "University City", den sie liebt, und veröffentlicht diese auf Tumblr, trägt zuhause bunt bedruckte Kleidung und Stück für Stück lernt man den Menschen hinter der perfekten Musterschülerin-Fassade kennen.
Ich mochte dabei auch sehr ihre Beziehung zu ihrer Mutter, die sie unterstützt in allem. Sie erwartet nicht unbedingt gute Noten, unterstützt sie aber trotzdem, und auch, wenn Frances irgendwelche Sorgen und Probleme hat, bietet sie ihr immer Unterstützung an - dafür, wie negativ Eltern oft in Young Adult-Romanen dargestellt werden, war das eine sehr angenehme Abwechslung. Die beiden haben gemeinsame Filmeabende, reden miteinander und überhaupt, ich fand diese Beziehung toll.

Was ich auch mochte, war, wie divers dieses Buch ist. Frances' Vater ist Äthiopier und dadurch hat das Buch schon eine BIPoC-Protagonistin, einer der Nebencharaktere hat koreanische Vorfahren, einer ist demisexuell, Frances selbst ist bisexuell und einige weitere sind ebenfalls nicht straight.
Daneben schneidet die Autorin weitere Themen wie Mental Health, Kindesmissbrauch, Erfolgsdruck, Hate Speach und Druck im Internet und so weiter an, aber auch Freundschaften. Was ich dabei mochte, war, dass Frances relativ am Anfang klarstellt, dass sie und Aled keine romantische Beziehungen haben und haben werden - es war eine angenehme Abwechslung, mal einen YA-Contemporary-Roman über eine Freundschaft und ohne wirkliche Liebesgeschichte zu lesen.

Frances erzählt die Handlungen in der Vergangenheit, kommentiert sie manchmal, macht hin und wieder kleine Auflistungen und schiebt Rückblicke zu ihrer Freundschaft mit Carys Last ein, Aleds Zwillingsschwester, die von zuhause weggerannt ist.
Dazwischen werden Transkriptionen aus "University City" und Chatprotokolle zwischen Frances und Aled abgedruckt. Der sehr jugendliche, lockere und tendenziell umgangssprachliche Stil tut sein übriges dazu, dass man sehr nah den Protagonist*innen dran ist. Generell hatte ich das Gefühl, dass deren Lebensrealität sehr authentisch dargestellt wird.

Fazit: Realitätsnahe, locker und jugendlich geschriebene, nerdige Story unter anderem über Selbstfindung und Freundschaft mit sehr diversen Charakteren.