Rezension

Über Heimat, Prägung und Rassismus

Chicago - Alaa Al- Aswani

Chicago
von Alaa Al- Aswani

Bewertet mit 4 Sternen

Ägypten - immer faszinierend für Europäer. Viele Mythen ranken sich um dieses Land. Wie ist es wirklich? Der ägyptische Autor Alaa al-Aswani gibt einen Einblick.

Alaa al-Aswani, Jahrgang 1957, der in Kairo journalistisch und schriftstellerisch tätig ist, jedoch in den Staaten erst einmal Zahnmedizin studierte, war mir bis dato völlig unbekannt.

Es ist nicht unüblich, dass sich junge Leute aus Ägypten mächtig ins Zeug legen, um ein Auslandsstipendium zu bekommen und z.B. in den Staaten ein naturwissenschaftliches oder medizinisches Fach studieren. Sind sie dann zurück machen sie unter Umständen beruflich etwas anderes. Nicht die Liebe zum Fach, sondern die Liebe zum Diplom, das Anerkennung schafft und Dollars verheißt, treibt sie. Sagt al-Aswani. Im Roman.

„Chigaco“ ist eigentlich ein Roman über ägyptisch-arabische Denkweise, nicht über Chigaco, wie man irrtümlich meinen könnte, ein Roman über Heimat, Rassismus, Hierarchie und Patriarchismus, Korruption, politische Einschüchterung, Frauenfeindlichkeit und religiöse Zwänge. Und sexistisch.

Neun der neunzehn, unterschiedlich stark ausgeprägten Charakterbilder, sind äyptischstämmigen Menschen gewidmet, die sich entweder gerade zu Studienzwecken am histologischen Institut in Chicago aufhalten oder die amerikanische Staatsbürgerschaft erlangt haben und Einfluß und Position in der westlichen Gesellschaft haben. Doch die Heimat behalten sie im Blut, sie und deren Prägungen bilden den Urgrund ihres Handelns und läßt sie mehr oder weniger scheitern; die positiven Ausblicke sind sparsam und fragwürdig.

Aber auch die Hingabe an die Wissenschaft und die Ungerechtigkeiten jeden politischen Systems sowie die Unfähigkeit selbst der gewilltesten Menschen, soziale und kindheitsgeprägte Vorurteile auf Dauer zu überwinden, sind die Thematik dieses Romans.

Die Protagonisten al-Aswanis haben mich fasziniert und abgestoßen. Dass sämtliche soziale Interaktionen einen sexistischen Einschlag haben ist befremdend. Doch, was auch immer man über die Charaktere al-Aswanis denken mag und die Handlungen, zu denen der Autor sie zwingt, sie sind lebendig und packend.

Fazit: Der Roman „Chicago“ ist seltsam faszinierend, abstoßend, sexistisch und doch packend - und zugleich Gesellschaftskritik vom Feinsten. Ich kann mir vorstellen, ein weiteres Buch dieses Autors zu lesen.

Kategorie: Moderne Literatur // Verlag Lenos, 1. Aufl. 2008