Rezension

Überzeugendes Plädoyer über die Bedeutung der Freundschaft.

Nackt im Hotel - Wie Freundschaft der Liebe den Rang abläuft - Jo Schück

Nackt im Hotel - Wie Freundschaft der Liebe den Rang abläuft
von Jo Schück

Meine Schulzeit neigt sich dem Ende zu; bereits in wenigen Wochen wird die letzte Abiturprüfung und somit eine zwölfjährige Ära voller abwechslungsreicher und spannender Bekanntschaften abgeschlossen sein. Immer öfter wird das Gedankenexperiment gewagt, zu welchen der liebgewonnenen Mitschüler*innen man in einigen Jahren wohl noch regelmäßigen Kontakt pflegen und über welche Freundschaften Gras wachsen wird, so wie es bei den meisten Sandkastenbeziehungen allmählich der Fall war. Wer ist ein wirklich wahrer, wer womöglich sogar einer meiner besten Freunde? Dem Herzensthema 'Freundschaft' widmet sich auch Moderator und Kulturjournalist Jo Schück in seinem Debütroman "Nackt im Hotel".

 

»Ich bin mir sicher, Wohl und Wehe dieser Gesellschaft wird maßgeblich davon abhängen, wo wir die Freundschaft auf unserer persönlichen und gesellschaftlichen Prioritätenliste ansiedeln. Sie gehört nach ganz oben.«

 

Mit dieser steilen These schafft der Autor eine interessante Basis für dieses Sachbuch, denn: nicht jeder wird sofort mit der Behauptung konform sein, Freunde seien wichtiger als die Beziehung oder die Familie. Er bürdet sich somit selbst bereits zu Beginn die Aufgabe auf, die Leser*innen von dieser zu überzeugen.

 

Schück schreibt in salopper, jugendlicher Sprache, die nie aufgesetzt wirkt, sondern sich gut dem aktuellen Zeitgeist anpasst. In den sachlichen Passagen – und diese nehmen den Großteil des vorliegenden Werks ein – nimmt er das Lesepublikum an die Hand und erklärt seine Schlussfolgerungen stets deutlich und leicht nachvollziehbar. Die zahlreichen Quellenangaben bezeugen seine gründliche Recherchearbeit und stützen die eigenen Argumente geeignet.

 

Er fügt geschickt einzelne fiktive Passagen ein, aus denen er synthetisch neue Erkenntnisse ziehen und an denen er seine Überzeugungen deutlich artikulieren kann. Zunehmend verstrickt er sich hier jedoch in dem verzweifelten (und überflüssigen) Versuch, Bezüge zwischen den Kurzgeschichten herzustellen und die knappen Handlungen miteinander zu verknüpfen. Dies ist nicht nötig, und nimmt dem Ganzen etwas seiner knackigen Frische. Auch durch einige Dopplungen büßt der Text einige Schlagkraft ein.

 

Gesamtheitlich gelangt Schück nicht zu wirklich progressiven oder sonderlich überraschenden Erkenntnissen, sondern bezieht vielmehr logische Konsequenzen und stellt Elemente in neue Zusammenhänge. Dass der Autor dabei sichtlich mit ganzem Herzen hinter der Thematik steht und sich für die öffentliche Wertschätzung dieser Art menschlicher Beziehung engagiert, macht ihn nicht nur verdammt sympathisch, sondern regt gleichzeitig definitiv zum Nachdenken an. "Nackt im Hotel" bewirkte die starke Aufwertung der Freundschaft in meiner eigenen Weltansicht und ließ mich über die Intensität zu meinen eigenen Mitmenschen hinterfragen.

 

Ja, der Anfangsthese, die der Freundschaft eine weitaus größere Wichtigkeit zuspricht als der gesellschaftliche Konsens, würde nach Beendigung der Lektüre viel eher zustimmen – und genau dadurch hat sie ihr Ziel voll erreicht. Für den kurzweiligen und interessanten Exkurs mit einer unterhaltsamen Erzähltechnik möchte ich daher definitiv eine Leseempfehlung aussprechen.

"Nackt im Hotel – Wie Freundschaft der Liebe den Rang abläuft" ist ein überzeugendes Plädoyer über die Bedeutung der Freundschaft.