Rezension

Unerwartet ernstes Thema

Erschieß die Apfelsine
von Mikael Niemi

Bewertet mit 4 Sternen

"Erschiess die Apfelsine" von Mikael Niemi kommt durch Aufmachung, Klappentext und Sprache zuerst wie ein unterhaltsamens, lustiges aber nicht ernsthaftes Buch daher - entpuppt sich dann aber genau als solches.

Es geht um den 16-jährigen Ich-Erzähler, der sich in seinem Leben als graue Maus mit einer Leibeserklärung an das schönste Mädchen der Schule vor versammelter Mannschaft lächerlich gemacht hat und beschließt, dass er, wenn er schon gehasst wird, dabei doch wenigstens auffallen könnte. So beginnt zuerst eine Art Selbstfindungsphase, in welcher der Erzähler seine künstlerische Seite entdeckt, Gedichte schreibt und anonym in der Schule aushängt, und damit das Interesse eines Mädchens gewinnt. Durch Titel wie "Bombadier den Dreck" werden seine Gedichte aber auch missverstanden. Durch seine Provokationen anderen Mitschülern gegenüber und der Selbstüberschätzung, in die er verfällt, wird er immer stärker gemobbt, beleidigt und sogar körperlich angegriffen, schließt aber auch Freundschaft zu Pålle, einem Jungen in seiner Umgebung, der aus einem schwierigen, gewalttätigen Elternhaus stammt und sich ein Versteck im Wald gebaut hat...

Niemi behandelt in seinem Roman, versteckt unter einer flotten, frechen, ungebändigten Sprache, ernsthafte Themen, wie Mobbing, soziale Ausgrenzung und Gewalt, mit erschreckendem Ausgang.
Der Ich-Erzähler ist Teil einer Welt, in der die soziale Herkunft mehr über das eigene Schicksal bestimmt. So teilt er seine Klasse ein in die "Arschgeigen" und die "Idioten". Arschgeigen kommen aus gutem Hause und werden auch dann erfolgreich, wenn sie nichts können: Das Geld ihrer Eltern öffnet ihnen die Türen. Die Idioten dagegen können machen, was sie wollen. Sie werden immer nur an zweiter Stelle kommen, da ihre Eltern nicht einflussreich genug sind, um ihnen die Türen zu öffnen.
Nett gemacht sind außerdem die Kapitelüberschriften, die sich in der Selbstfindungsphase des Ich-Erzählers vom einfachen "Kapitel" immer um einige Buchstaben verändern, bis sie schließlich, nach einem Gewaltausbruch, der den Ich-Erzähler nach einer Phase der Überheblichkeit wieder in die Wirklichkeit zurückholt, zum "Monolith" werden.

Besondere Aufmerksamkeit verdient der Charakter Pålle, ein unbeliebter Junge, der nur Gewalt und Ablehung kennt und im Ich-Erzähler einen Vertrauten findet.

Ein unerwartet ernsthaftes und gleichzeitig unterhaltsames Buch.