Rezension

Ungeschönter Einblick in das Leben von Spätaussiedlern

Scherbenpark - Alina Bronsky

Scherbenpark
von Alina Bronsky

Bewertet mit 5 Sternen

Im Solitär, dem städtischen sozialen Brennpunkt und sogenannten „Russen-Ghetto“ lebt Sascha Naimann, 17, intelligent, schlagfertig und abgebrüht. Sie verfolgt in diesem Sommer zwei Ziele: Vadim, den Mörder ihrer Mutter töten und ein Buch über ihre Mutter schreiben. Zwischen der Hoffnungslosigkeit der Aussiedler, mangelnden Sprachkenntnissen und traditionellen Kochkünsten entfremdet sich Sascha immer mehr von ihrem Umfeld. Vor allem als sie über einen Zeitungsbericht über Vadim dem Journalisten Volker und seinen Sohn Felix begegnet. Und immer noch ist sie angetrieben von ihrem Hass auf Vadim und den Schuldgefühlen, nichts gegen Vadims Terrorisierung von Mutter und Geschwistern unternommen zu haben. Gibt es für Sascha noch ein Leben jenseits des Scherbenparks?

Alina Bronskys Debütroman entführte mich in ein anderes, unbekanntes und heutzutage fats vergessenes Milieu: das der Aussiedler aus Russland. Das an sich war schon interessant, vor allem aber die Sprache mit der Ich-Erzählerin Sascha alles schildert, hat mich richtig in das Buch eingesogen. Ohne Kapitelunterbrechungen redet sie sich alles von der Seele, in prägnanten Sätzen, mit unterschwelligem Humor oder geradliniger Verzweiflung. Ein sehr beeindruckender Sprachstil, so dass ich sicherlich noch einmal zu einem Werk von Alina Bronsky greifen werde.

Frech, lustig, schlagfertig und mit dem Willen anzuecken, erzählt Sascha, wie sie nach Deutschland kam und mit ihren billigen Klamotten nicht in das Elite-Gymnasium, passte, dass sie aus Integrationsgründen aufnahm. Ernst wird es, wenn man nach und nach erfährt, wie es zu dem Mord an ihrer Mutter kam und wie dies Saschas Familie unter den eigenen Landsleuten stigmatisiert hat. Durch ihre Intelligenz und ihr Schicksal hebt sich Sascha willentlich von der umgebenden Armut und Hoffnungslosigkeit ab, etwas dass sie die anderen mit Stolz und gelegentlicher Arroganz spüren lässt. Trotz ihrer Mordpläne konnte ich mich sehr gut mit Sascha identifizieren, sie ist ein Mensch, der sich nicht unterkriegen lässt.

Das Buch flachte zwar im letzten Drittel etwas ab, durch das offene Ende wirkt der Abschluss aber rund. Ein eigenwilliges und mitreißendes Leseerlebnis, das ich in dem recht dünnen Buch nicht erwartet hatte.