Rezension

Unheimlich fesselnder, gelungener Abschluss einer tollen Trilogie!

The Toll - Neal Shusterman

The Toll
von Neal Shusterman

Bewertet mit 5 Sternen

 

! ACHTUNG - ENTHÄLT SPOILER ZU DEN BEIDEN VORGÄNGERN !

Ich gebe zu, ich kann nachvollziehen, warum viele den Abschluss etwas schwächer fanden als die Vorgänger, denn die Erzählweise ist ein wenig anders. Nicht vom Stil, aber nachdem bei den anderen beiden Teilen vor allem Citra und Rowan die Protagonist*innen waren, wird dieses Buch aus verschiedenen Sichten erzählt, die teilweise wenig mit dem Scythedom zu tun haben.
Eine große Rolle spielt zum Beispiel Greyson, der Einzige, der noch in Verbindung mit dem Thunderhead steht und deswegen eine besondere Rolle einnimmt, und der gleichzeitig bei der Sekte der Tonist*innen Aufnahme gefunden hat. Die ehemalige Nimbus-Agentin Loriana, die auf einer besonderen Mission zu bestimmten Koordinaten geschickt wird. Eine Bergungsmission des ehemaligen Endura. Plus Goddards Treiben und Scythe Faradays Suche nach den Geheimnissen der Gründungs-Scythes. Plus ein paar andere Perspektiven.

Die Perspektiven wechseln also und besonders anfangs wird auch zwischen verschiedenen Zeitpunkten hin- und hergesprungen, teilweise mit Wochen oder sogar Jahren Unterschied. Was jetzt super verwirrend klingt, fand ich allerdings tatsächlich sehr gut umgesetzt. Dem Autor gelingt es, das bewusst stilistisch so einzusetzen, dass er Verknüpfungen schafft und nach und nach sichtbar macht, sodass allmählich ein zusammenhängendes Bild entsteht.
Auch sonst gibt es zwischendurch ein, zwei Kapitel mit einer nennen wir es experimentellen Erzählweise, plus die Ausschnitte aus Scythe-Tagebüchern und anderem zwischen den Kapiteln. Ich mochte den Stil ganz gerne, und war auch nie überfordert mit den verschiedenen Perspektiven, stattdessen gelang es dem Autor so, Spannung aufzubauen und verschiedene Aspekte der Ereignisse, die einzelnen Charakteren verborgen geblieben wären, zu beleuchten.

Von allen neu eingeführten Charakteren fand ich Jerico am sympathischsten, und war zudem überrascht, dass es sich bei Jerico um einen genderfluiden Charakter handelt - womit ich nicht gerechnet hatte, weil nicht-binäre Charaktere leider immer noch viel zu selten repräsentiert werden, und was ich dementsprechend umso cooler fand.
Auch die Idee, dass Jerico in einer Gesellschaft aufgewachsen ist, in der Kinder ohne Geschlecht erzogen werden und dann mit dem Erreichen des Erwachsenenalters selbst eins wählen dürfen, fand ich dabei super interessant.

Aber auch sonst fand ich Jericos Charakter toll. Und auch Greyson wurde mir sympathischer. Scythe Faraday ist ebenfalls ein Charakter, den ich ins Herz geschlossen habe, und generell kann ich nur sagen, dass es dem Autor gelungen ist, viele tiefgründige und sympathische Charaktere zu schaffen - und trotz der Vielzahl an Personen das Ganze NICHT in einem unübersichtlichen Durcheinander enden zu lassen.

Insgesamt ist genug Spannung da, dass ich dieses über 600 Seiten umfassende Werk innerhalb eines Tages verschlungen hatte, weil ich mich nicht mehr davon lösen konnte. Die Handlung habe ich dabei auch als unvorhersehbar empfunden, wusste bis zum Schluss nicht, wie der Autor das auflösen will, hatte Ahnungen und wurden dann doch wieder vollkommen überrascht.

Fazit: Spannender und fesselnder Abschluss mit einigen Perspektiven-, Orts- und Zeitwechseln, die aber gekonnt umgesetzt wurden, sowie mit überraschenden Wendungen und sympathischen Charakteren!