Rezension

Unheimliche Stimmen auf Higher Barton

Das Flüstern der Wände
von Rebecca Michéle

Bewertet mit 5 Sternen

Rebecca Michéle hat mit ihrem Buch „Das Flüstern der Wände“ einen sehr spannenden und unterhaltsamen teils historischen, teils zeitgenössischen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig und gibt dem Leser bereits nach wenigen Seiten das Gefühl, ebenfalls auf Higher Barton zu sein und den Protagonisten auf Schritt und Tritt bei ihrem Tun zu folgen. Die eingeflochtenen Hintergrundinformationen über den Kupferabbau in den Minen und das Leben der dort arbeitenden Bevölkerung hat dazu beigetragen, die Geschichte noch realer wirken zu lassen. Die Handlung verteilt sich auf zwei Zeitebenen, die beide in sich rund abgeschlossen sind, aber auch ineinander über greifen. Der eine Teil der Geschichte behandelt die Zeit ab 1837 und folgt dem Leben von Evelyn. Der zweite berichtet von der Zeit ab 1940 und erzählt von Eve und ihren Erlebnissen und Nachforschungen. Sehr geschickt hat die Autorin die beiden Handlungsstränge miteinander verflochten. Dabei wird auch deutlich, wie ähnlich sich die beiden Frauen in ihrem Charakter sind, beide sind sehr mutig, willensstark und liebenswert. Die Protagonisten wurden sehr detailliert ausgearbeitet und wirken authentisch und lebensecht. Eve besticht durch ihr Mitgefühl, ihre Empathie und ihre Hilfsbereitschaft, aber auch durch ihre natürliche Neugier, die durchs nichts zu erschüttern ist. Sie hat schon früh durch die Unpässlichkeit ihrer Mutter Verantwortung übernehmen müssen. Evelyn ist ebenfalls eine junge Frau mit einem starken Charakter und einem ungebrochenen Wissensdurst. Sie ist ehrlich, offen und kümmert sich um ihre Mitmenschen, Standesdünkel sind ihr fremd. Auch sie musste schnell lernen, da ihre Mutter früh verstarb und sie sich nun einer Stiefmutter mit eigenem Sohn gegenüber sah. Ralph ist ihr Stiefbruder und ein hinterhältiger und geldgieriger Kerl, der lieber am Spieltisch sitzt, als Verantwortung zu übernehmen. Stiefmutter Clarissa ist neidisch auf Evelyn und buhlt um den Einfluss auf ihren Ehemann, um ihrem Sohn das Erbe Higher Barton zu sichern.
Auch zur Ausstattung des Buches gibt es einiges zu sagen. Das Cover und der Titel passen wie Faust aufs Auge zu dem Roman. Der Schnitt ist bräunlich eingefärbt und deutet den Zusammenhang zu den Kupferminen an. Die einzelnen Handlungsstränge sind durch ein Trennblatt gekennzeichnet, das immer anzeigt, ob nun Eve oder Evelyn an der Reihe ist. Gleichzeitig kann man die Jahreszahl entnehmen und ein Frauenprofil als Scherenschnitt bewundern. Hier hat sich der Verlag viel Mühe gegeben, die sich auch optisch wirklich gelohnt hat.