Rezension

Unsterblichkeit, anders als gedacht.

Ich bin viele - Dennis E. Taylor

Ich bin viele
von Dennis E. Taylor

Bewertet mit 5 Sternen

Bob ist mit dem Verkauf seines Start-Ups zu ziemlichen Reichtum gekommen und erfüllt sich damit einen lang gehegten Traum, die Unsterblichkeit. Im Falle seines Todes will er eingefroren werden und in einer unbekannten Zukunft, wenn alle Gebrechen besiegt sind, aus der Eiseskälte geholt und zu neuem Leben erweckt werden.

Kaum ist der Vertrag mit der Kryogen-Firma abgeschlossen, erwischt es Bob auch schon. Er wird auf der Straße überfahren.

100 Jahre später erwacht Bob aus dem Nichts, mit nichts, außer seinen Gedanken. Schnell stellt er fest, dass alles anders gekommen ist, als gedacht. Die Welt, wie er sie kannte, existiert nicht mehr, sein Körper, oder wenigstens der Kopf desselben, auch nicht mehr. Die Energiekrise ereilte seinen kostenintensiven Kälteschlaf, die ultrareligöse neue Regierung cancelte sein Bestreben nach Auferstehung. Nur den drängenden Problemen der Menschheit hat er das Recycling seiner Hirntätigkeiten zu verdanken. Er ist zum Diener des Volkes geworden, zum Replikant in einem Rechner, jederzeit und überall hochlad- und abschaltbar. Als solcher soll er zukünftig in Raumsonden das Unsiversum erkunden, auf der Suche nach verwertbaren Rohstoffen und bewohnbaren Planeten.

Aber auch mit seiner neuen "Lebens-"abschnitt wird er schneller konfrontiert als gedacht, die Konkurrenz schläft nicht und so wird Bob schneller ins All geschossen, als vorgesehen. Im "Rückspiegel" sieht man die Erde im Krieg versinken. Nun ist Bob auf sich allein gestellt... nicht ganz. Er kann sich vervielfältigen, was er auch tut und womit er auch gut beraten ist, denn die F.A.I.T.H. (The Free American Indipendent Theocratic Hegemony) hat es nicht als Einzige in den Weltraum geschafft, die Brasilianer tummeln sich auch in der Schwerelosigkeit.

Der Roman ist ein faszinierender Einstieg ins "Bobiversum", der wirklich Bock auf die Fortsetzungen macht. Mit viel Witz und Einfallsreichtum umschifft Taylor die Klippen des Unmöglichen und steuert zielgenau die "endgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest an" (zitiert aus Douglas Adams Per Anhalter durch die Galaxis). Während auf der einen Seite die Konflikte auf der Erde beleuchtet werden, darf man sich auf der anderen Seite des Universums die Ursprünge des humanoiden Zusammenlebens widmen und zwischendrin natürlich immer wieder die Frage nach Bobs ewigem Leben stellen. Witzigerweise sind all seine Kopien immer ein wenig anders gestrickt und lassen Charaktereigenschaften durchblitzen, die beim Ursprungsbob "erfolgreich" unterdrückt wurden.

Inzwischen, dank 3-D-Druckern, gibt es eine ganze Raumflotte, gesteuert von vielen Bobs, und die müssen jetzt die Restmenschheit retten, weil die ihre Meinungsverschiedenheiten doch mit der atomaren Faust ausgetragen haben.

Eigentlich ist das Szenario ein frustrierendes, dennoch schafft der Autor und sein Übersetzer, Urban Hofstetter, eine hoffnungsvolle, aber vor allem witzige Atmosphäre, die dem Hirn Licht und Luft lässt, konstruktiv über so manche Entwicklungen auf technischen und gesellschaftspolitischen Ebenen nachzudenken. Ein, zwei Weltraumschlachten konnte ich dabei gut verschmerzen. Dicke Leseempfehlung.