Rezension

Untiedt ermittelt

Marschblut -

Marschblut
von Marco Schreiber

Bewertet mit 5 Sternen

An gleicher Stelle auf der Bahnstrecke Heide-Husum, an der sich vor zwei Wochen schon einmal jemand in suizidaler Absicht vor den Zug geworfen hat, wurde erneut eine Leiche gefunden bzw. das, was von einem Menschen übrig bleibt, wenn man sich vor einen Zug wirf. Da die Auffinde-Situation in diesem Fall aber eine andere ist, glaubt die Kriminaloberkommissarin Katja Greets nicht an einen Selbstmord und bittet beim LKA in Kiel um Unterstützung. Die bekommt sie in Form von Kriminalhauptkommissar Karsten Untiedt.

Karsten Untiedt hat so gar keinen Bock irgendwelchen Kollegen in Dithmarschen dabei zu helfen irgendwelche Fälle zu lösen. Lieber würde er in seinem eigenen Revier im Archiv Staub wischen als nach Dithmarschen zu fahren. Genau diese Einstellung lässt er auch seiner Kollegin Katja Greets gegenüber raushängen, die am Leichenfundort auf ihn wartet. Ihre Ausführungen, warum es sich ihrer Meinung nach nicht um einen Selbstmord handeln kann, sind jedoch einleuchtend und schnell wird klar, dass Untiedt nicht – wie er es eigentlich geplant hatte – am gleichen Abend wieder zurück in Kiel sein wird.

Bei dem Toten handelt es sich um Thoralf Hemke, der ein einfacher Finanzbeamter war. Warum sollte er sich umgebracht haben? Oder stimmt Greets Vermutung und jemand hat bei seinem „Selbstmord“ nachgeholfen?

Das herauszufinden ist der Job von KOK Katja Greets und KHK Karsten Untiedt.

Bei „Marschblut“ handelt es sich um das Krimi-Debüt des Autors Marco Schreiber. Er bedient sich eines lockeren und angenehmen Schreibstils und dieser unterschwellige Humor, der an manchen Stellen nur kurz aufblitzt, aber nicht wirklich offensichtlich wird, ist genau meine Kragenweite.

Auf den ersten Seiten dachte ich, dass das Un- in Untiedt für „Un-Sympath“ steht, dieser Eindruck täuscht jedoch, denn Karsten Untiedt entwickelt sich zu einem sehr sympathischen Ermittler, dem lediglich seine Vergangenheit im Weg steht. Deswegen möchte er auch um jeden Preis vermeiden, dass seine Kollegin Greets herausfindet, wo er nachts schläft. Greets gegenüber lässt er gerne den Boss raushängen und manchmal ranzt er sie an, Greets fühlt sich zu Anfang ungerecht behandelt, der Leser ist ihr da jedoch einen Schritt voraus; die beiden wachsen zu einem tollen Team zusammen.

Auch Greets wird von Anfang an als sympathischer Charakter gezeichnet, sie macht ihren Job gerne und das merkt man. Wie schon erwähnt ist Untiedt manchmal etwas ruppig zu ihr, aber nach anfänglichen Schwierigkeiten bietet sie ihm einfach Paroli.

„Haben wir die Hierarchien jetzt geklärt, Herr Kriminalhauptkommissar, oder brauchen Sie noch eine besondere Huldigung?“ (Seite 20)

„Marschblut“ ist ein ruhiger Krimi. Es gibt keine große Action, keine Verfolgungsjagden und kein übermäßiges Blutvergießen – die Spannung baut sich dadurch auf, dass man als Leser den Ermittlern ständig über die Schultern schaut. Die Geschichte um Hemkes Tod wird immer undurchsichtiger und je näher sich Greets und Untiedt der Aufklärung fühlen, desto enttäuschter müssen sie feststellen, dass ihre Spur – erneut – ins Leere führt. Immer wieder tauchen neue Indizien auf, die dem Fall eine andere Richtung geben und immer neue Charaktere rücken in den Fokus, während der Autor gekonnt mit der Fantasie des Lesers spielt und ihn immer wieder auf falsche Fährten lockt.

Die mir vorliegende Taschenbuch-Ausgabe umfasst 384 Seiten und die Geschichte ist in 56 Kapitel eingeteilt. Die Kapitel sind auf geschickte Art und Weise kurz gehalten, manchmal nur eine bis zwei Seiten, was dem Lesefluss Tempo verleiht, da man natürlich wissen möchte, wie es weitergeht. Erzählt wird – neben Greets und Untiedt – aus der Sicht von verschiedenen Personen, die in den Fall verstrickt sind, der direkte Zusammenhang zwischen den Personen offenbart sich aber erst im Laufe der Erzählung. Der Täter – eine Überraschung!

Für mich ein Krimi, wie er sein soll. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Ermittlungen, die Kommissare sind sympathisch, ich begleite sie gerne auf ihrer Recherche-Tour und es gibt Irrungen und Wirrungen, die den Leser nicht auf direkter Spur zum Täter führen. Ich erwähne ja selten ein Cover in meinen Rezensionen, weswegen es hier mal eine Ausnahme von der Regel gibt: Ich finde dieses Cover wirklich mega schön und ansprechend.

Für ein paar Stunden habe ich mich hier gut unterhalten gefühlt und ganz sicher werde ich „Marschnacht“, den 2. Fall von Untiedt verfolgen, der am 01.03.2024 veröffentlicht werden wird.