Rezension

Vampirgeschichte ohne Biss

Eine Vampirin auf Abwegen - Lynsay Sands

Eine Vampirin auf Abwegen
von Lynsay Sands

Eine Blutphobie ist doch nun wirklich nicht sooooo schlimm - es ist ja nicht so, als müsste man ständig Blut sehen, oder? Lissiana Argenau, eine relativ junge Vampirin, deren Phobie ihr das Leben (ja, Leben - sie ist weder tot noch untot!) schwer macht, ist da anderer Meinung. Was wäre es doch praktisch, wenn sie den Kühlschrank immer schön mit Blutkonserven gefüllt halten könnte, anstatt auf die altmodische Art essen zu müssen und dabei peinlichst darauf zu achten, bloß keinen Tropfen zu verkleckern!

Als ihre Mutter zufällig von Doktor Gregory Hewitt hört, der sich auf die Behandlung von Phobien spezialisiert hat, ist sie begeistert - was für ein perfektes Geburtstagsgeschenk für Lissi! Vielleicht wäre es aber eine gute Idee gewesen, einfach einen Termin zu vereinbaren, anstatt den Mann zu entführen und mit einer Schleife um den Hals an Lissianas Bett zu fesseln. Dann hätte ihn Lissi nicht für ihr Mittagessen gehalten. Und Greg wäre nicht zu dem Schluss gekommen, dass er Lissis Sexsklave sein soll...

Pro:

Eine Vampirin mit Blutphobie ist mal was Anderes - was für eine charmante Idee! Die Geschichte geht direkt lustig los, mit augenzwinkerndem Humor und einer unbeschwerten Herangehensweise an das Genre. Es bleibt locker-flockig von Anfang bis Schluss - ABER. (Siehe weiter unten unter "Kontra".)

Mir gefällt dass die Autorin sich an einer frischen, neuen Erklärung für Vampirismus versucht - leider gefällt mir das Ergebnis dann aber nicht so sehr. (Siehe auch weiter unten.) Dass die Vampire in dieser Welt im Prinzip auch nur Menschen sind, sich wie Menschen fühlen und wie Menschen verhalten (von den offensichtlich notwendigen Abweichungen mal abgesehen), fand ich erfrischend - hier gibt es (noch?) keine düsteren gequälten Seelen, die klagend durch die Nacht geistern.

Lissi ist ein sehr netter Charakter, und Greg ebenso... Eigentlich fand ich alle Charaktere liebenswert - sogar den "Bösewicht" (jedenfalls bis zum Schluss, wo er dann doch ziemlich fies wird).

Kontra:

Die Sprache ist stellenweise ziemlich eintönig und sich wiederholend. Die Autorin erklärt und beschreibt oft viel zu viel, auch wenn das gar nicht nötig wäre.

Ab und an musste ich schon mal grinsen oder sogar lachen, aber in vielen Szenen fand ich den Humor auch einfach nur noch erzwungen und konstruiert.

Manche der Charaktere sind sehr eindimensional - aber das kann sich in den weiteren Büchern der Serie natürlich noch ändern! So viele Charaktere in einem Buch einzuführen und ihnen dann auch noch Tiefe zu verleihen, ist eben problematisch.

Die "wissenschaftliche" Erklärung schien mir mehr als nur ein bisschen weithergeholt. Ich will hier nicht zuviel verraten, aber ein paar Details machen einfach keinen Sinn. (Wenn Vampire im Prinzip mehr Blut in ihren *Venen* brauchen, hilft es doch nicht wirklich, wenn sie Blut trinken - dann ist es doch im Magen?) Ich mag es normal sehr, wenn eine Autorin NICHT einfach sagt "Es ist Magie!" und das war's dann, aber das wäre mir noch lieber als eine Erklärung, an die ich nicht "glauben" kann.

Dafür, dass Lissi und Greg eigentlich sehr intelligent sein sollen, sind sie ganz schön begriffsstutzig - entweder kriegen sie gar nicht erst mir, was um sie herum vorgeht, oder sie ziehen die offensichtlichen Schlüsse daraus nicht. Ich will auch hier nicht zu viel verraten, also nur ein Beispiel:

Greg wird von Leuten entführt, die offensichtlich seinen Willen und Verstand kontrollieren können. Als Lissi ihn an ihr Bett gefesselt findet, hält sie ihn für einen Snack und verhält sich auch so. Ihre jungen Kusinen reden vor Greg ganz offen darüber, dass sie Blutkonserven trinken. Lissis Mutter sieht so jung aus wie Lissi. Niemand gibt sich viel Mühe, seinen oder ihren Vampirismus zu verstecken. Und trotzdem kommt ihm nicht mal das Wort "Vampir" in den Sinn bevor er Beisswunden an seinem Hals sieht.

Die Liebesgeschichte zwischen Greg und Lissi ist ganz niedlich aber ein bisschen farblos. Vom ersten Treffen an ist klar, dass sich irgendwann herausstellen wird, dass sie füreinander bestimmt sind, aber ich habe zwischen den beiden keinerlei Funken gespürt. Es was etwa so spannend wie ein Kochrezept: man nehme eine hübsche Vampirin, einen attraktiven Doktor, würze das Ganze mit ein paar delikaten Missverständnissen und rühre um, bis ein perfektes Pärchen rauskommt.

Das ist einfach nicht genug Handlung für ein ganzes Buch - also zieht die Autorin schnell noch zwei Asse aus dem Ärmel: einen mysteriösen Unbekannten, der Lissi Übles will, und einen herrischen Vampironkel, der eventuell Gregs Gedächtnis auslöschen will und ihn dabei wortwörtlich um den Verstand bringen könnte.

Aber es ist alles so frustrierend OFFENSICHTLICH! Allein schon der "mysteriöse" Bösewicht... Von seinem ersten Auftreten an ist absolut 100%-ig kristallklar, was passieren wird - and es ist absolut 100%-ig unglaubwürdig, dass Lissi nicht die leiseste Ahnung hat! Oh bitte... SO blöd kann sie doch wirklich nicht sein? Ich habe ehrlich laut aufgestöhnt, als klar wurde, dass das Buch wirklich exakt so enden würde, wie ich es mir von Anfang an dachte - ich hatte gehofft, dass sich das als falsche Fährte herausstellen würde.

Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass ich dieses Buch wirklich mögen WOLLTE, weil es genau in mein "Beuteschema" passt: Vampire, eine Liebesgeschichte, schrulliger Humor und eine ungewöhnliche Erklärung für das Übernatürliche. Aber die logischen Fehler und die völlig überdrehte, lächerliche Begriffsstutzigkeit der beiden Hauptcharaktere hat mir das unmöglich gemacht.

Ich werden dem zweiten Band der Reihe trotzdem eine Chance geben, weil ich das Geühl habe, dass die Autorin mehr könnte - die Zutaten für etwas wirklich Unterhaltsames und Spannendes sind ja da, jetzt fehlt nur noch etwas Finesse beim Zusammenrühren.