Rezension

Vergangenheit und Suff und Wahnsinn...

Der unausweichliche Tag - Rose Tremain

Der unausweichliche Tag
von Rose Tremain

Bewertet mit 4 Sternen

Der neue Roman von Rose Tremain ist eine mitreißende Geschichte über Geschwisterliebe, Rache - und die Frage, wie man seinem Leben noch einen Sinn geben kann, wenn man nicht weiß, wie viel Zeit einem noch bleibt. 'Gerade einmal 300 Seiten, aber die haben es wirklich in sich - das Werk einer Autorin auf der Höhe ihrer Kunst. Ein durch und durch fesselnder psychologischer Thriller, der unbedingt von Claude Chabrol verfilmt werden sollte.' Independent on Sunday 'Jeder Satz glüht vor Schönheit.' Vogue

Anthony Verey, Mitte 60, früher der bekannteste Antiquitätenhändler Londons, spürt, dass es vorbei ist, sein glamouröses Leben. In Frankreich, in der kargen Landschaft der Cevennen, wo seine Schwester Veronica mit ihrer Geliebten Kitty lebt, möchte er ein Haus kaufen, "bevor es zu spät ist". Die eifersüchtige Kitty ist mit Anthonys Aufenthalt jedoch völlig überfordert. Bei Veronica hingegen löst der Bruder aufs neue Beschützerinstinkte aus, aber auch Erinnerungen an die gemeinsame Kindheit, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Als sich Anthony für das einsame, heruntergekommene Anwesen der Geschwister Aramon und Audrun Lunel interessiert, werden diese von ihrer gewalttätigen Familiengeschichte eingeholt, und Audrun sinnt auf Rache für einen Verrat, der ihr ganzes Leben vergiftet hat. Da macht ein kleines Mädchen während eines Schulausflugs eine grausige Entdeckung...

"Ein absolut fesselnder, psychologischer Thriller" steht hinten auf dem Buchrücken - und das ist schlichtweg gelogen. Mit Thriller hat das Ganze nämlich wenig zu tun, noch nicht einmal als Krimi würde ich das Buch bezeichnen. Es gibt erst recht spät eine Leiche, und obgleich es neugierig macht, wer denn nun der Täter sein könnte, steht diese Ermittlung ganz und gar nicht im Zentrum der Handlung.
Psychologisch hingegen hat dieser Roman einges zu bieten! Beide Geschwisterpaare sind bereits jenseits der 60, und alle vier haben ihr Päckchen aus der Vergangenheit zu tragen. Dabei ist keine der Figuren wirklich sympathisch, jedoch gelingt es Rose Tremain, die Eigenarten und Charakterzüge der einzelnen Personen ganz behutsam und allmählich herauszuarbeiten und durch ihre jeweils persönliche Geschichte nachvollziehbar werden zu lassen.

Eingebettet ist die Erzählung in eine detaillierte Beschreibung der Landschaft und der Natur Südfrankreichs, dargeboten in einer überaus bildhaften Sprache.
Überhaupt gelingt es der Autorin, mit ihrer Sprache eine ganz besondere Stimmung herzustellen, die den Leser in die Handlung gleichsam versinken lässt, die gleichzeitig einen Zauber hervorruft und manchmal abstoßend ist...

Ein Portrait zwischenmenschlicher Tragödien, gefangen in der Vergangenheit.
Wer einen spannenden Thriller erwartet, sollte die Finger von dem Buch lassen, aber wer atmosphärisch dichte Romane mag, der liegt hier richtig...

 

© Parden