Rezension

Vergessen Sie nicht: Ich beobachte Sie.

Stadt in Angst - John Matthews

Stadt in Angst
von John Matthews

Bewertet mit 5 Sternen

»Na los, nur zu«, sagte sie und zog Kleid und Unterrock bis zur Taille hoch. Sie trug keinen Schlüpfer, und so musste sie nur auf das übliche Gefummel warten, bis er in ihr drin war. Nur dass sich das hier irgendwie anders anfühlte – er drang tiefer ein, höher hinauf, als sie es je gekannt hatte. Es raubte ihr den Atem, sie spürte einen scharfen Stich und eine merkwürdige Nässe auf der Haut. Während sie erschrocken die Luft anhielt, sah er ihr tief in die Augen. »Nicht bewegen«, sagte er. »Du machst es nur noch schlimmer.« Und als sie spürte, wie er ejakulierte, und merkte, dass es eine Klinge war, die in ihr steckte und nun tief in ihren Eingeweiden bohrte und wütete wie eine Sense, da hatte ihr gurgelnder Schrei kaum ihre Kehle verlassen, ehe die Hand an ihrem Hals ihn auch schon mit festem Griff erstickte.

New York 1891. Für Camille schien er ein Kunde wie jeder andere zu sein, dieser Kunde, für den sie  in einer dunklen Gasse den Rock hob. Nur dass dieser Kunde ihr letzter gewesen sein wird. Der Zustand ihrer Leiche ähnelt denen, die man drei Jahre zuvor in London aufgefunden hat – ermordet von dem Mann, der als berüchtigtster Serienmörder aller Zeiten in die Geschichte eingehen wird. Kann es sein, dass „Jack the Ripper“ den Atlantik überquert hat und nun seine Mordserie in Amerika fortführen will?

Angesichts dieser Bedrohung eilt Kriminalanalytiker Finley Jameson im Auftrag von Scotland Yard zu Hilfe. Gemeinsam mit dem Cop Joseph Argenti macht er sich auf die Jagd nach dem Mörder, der begonnen hat, eine blutige Spur durch New York zu ziehen.

Tatsächlich scheint es sich bei dem Täter um den Ripper zu handeln. Und dieser mordet nicht nur aus Leidenschaft, sondern hat auch viel Spaß daran, gejagt zu werden. Wie zuvor schon in London teilt er sich seinen Verfolgern über Briefe mit…

»Wie ich sehe, sind die Zeitungen voll von Spekulationen: War es der Ripper, oder war er es nicht? Nur eine Messerwunde, und das Opfer wurde anscheinend ausgeraubt. Und dann auch noch ein nettes junges Mädchen, das einfach nur seine Tante besuchen wollte, und keine Liebesdienerin wie sonst immer. Und jetzt denken Sie, dass ich vielleicht noch etwas mehr Licht in die Sache bringen, das Rätsel auflösen könnte? Vielleicht etwas verraten, was nur der Mörder wissen kann? Aber dann würde ich Ihnen ja einen Teil Ihrer Arbeit abnehmen, nicht wahr? Wo bliebe da der Spaß an der Sache, wenn ich das Rätselraten vor der Zeit beendete?«

 

Für die Verfolger wird klar, dass dieser Fall von ihnen eine besondere Vorgehensweise fordert.

»Nur wenn wir in die Gedankenwelt des Rippers eindringen, haben wir eine Chance, ihn zu fassen.«

 

Dieses Buch war für mich wieder ein Volltreffer! Spannung, Atmosphäre, Charaktere, Stil – es passte einfach alles.

Ich mag ja ohnehin Krimis, die in dieser Zeit spielen. Ich finde es einfach reizvoll, wie Ermittler mit – aus heutiger Sicht – Steinzeitmethoden versuchen, ihre Arbeit zu machen. Umso interessanter, wie kreativ da der ein oder andere wird! Und dann die ganze Atmosphäre dieser Zeit! Es gibt zwar heute auch dunkle Ecken, aber doch lang nicht so viele. Wenn man sich solch unbeleuchtete Gassen vorstellt, vielleicht noch mit Nebel dazu, dann ist das allein schon wunderbar schaurig und die perfekte Kulisse für einen Serienmörder. Im Buch wird diese Kulisse so gut beschrieben, dass ich alles deutlich vor Augen hatte.

 

Zum Umfeld gehören neben dem Killer und den Prostituierten auch Straßengangs, korrupte Polizisten und skrupellose Gangsterbosse. Hier finden sich ebenfalls einige sehr interessante Charaktere und was die Brutalität der „normalen“ Verbrecher angeht, hatte ich manches Mal den Gedanken, dass sie dem Ripper wenig nachstehen.

 

Dieser teilt sich dem Leser auch nicht nur durch die Briefe mit, sondern man begleitet ihn bei seinen Taten, kann dabei seine Gedankengänge verfolgen. Was man da erfährt, sind natürlich keine wirklich neuen und überraschenden Dinge, aber spannend geschrieben ist es. Und ordentlich blutig wird es auch.

»Er ließ die Klinge tief in ihrem Leib stecken, bis er spürte, wie er ejakulierte, und stieß dann noch einmal zu, zog die Klinge durch ihre Eingeweide nach oben, während er gebannt das Flackern des Todeskampfes in ihren Augen beobachtete.«

 

Wirklich klasse fand ich auch Jameson und Argenti. Als einfach gestrickt kann man sie nicht bezeichnen, beide schleppen Dinge mit sich rum, die sie quälen, beide haben ihren eigenen Kopf. Und vor allem Jameson kann im Umgang mächtig schwierig werden. Allerdings kann man sich leicht vorstellen, dass es nicht ohne Auswirkungen bleibt, wenn man seit Jahren hinter einem Mann her ist, der mit einem Katz und Maus spielt. Manchmal drängte sich die Frage auf, wer hier eigentlich wen jagd.

»Ich habe sie vor eurer Nase umgebracht, und trotzdem habt ihr mich nicht erwischt.«

 

Wer sich schon zuvor mit der Gestalt „Jack the Ripper’s“ befasst hat, wird in diesem Buch auf die bekannten Eckdaten stoßen, die Namen der Opfer beispielsweise, die ihm zugerechnet werden. Ein kurzes Vorwort gibt dazu auch einen kleinen Überblick. Bei den Briefen, Vorgehensweisen und den hinterlassenen „Zeichen“ finden sich ebenfalls historische Bezüge, wie man beim „nachgoogeln“ erfährt. Natürlich ist auch viel Roman dabei, der vermeintliche Täter keiner von denen, die tatsächlich unter Verdacht standen. Aber ganz ehrlich: Davon gab es so viele und richtig sicher ist man sich nur bei wenigen Dingen. Lediglich bei fünf Opfern geht man unbestritten vom Ripper als Täter aus, alles weitere hängt davon ab, welchen Experten man nun befragt. Und genauso sieht es bei allen anderen Dingen, wie beispielsweise den Briefen, aus. Das lässt beim Schreiben viel Spielraum ;-)

 

Fazit: Tolle Ripper-Story, ich habe mich blendend unterhalten. Von mir aus kann die Jagd gerne weitergehen!

 

»Diese Letzte war wirklich ein Juwel, nicht wahr? Ich habe gesehen, wie Sie sie angeschaut haben, und ich konnte erkennen, dass Sie genauso dachten. Aber Sie wussten in diesem Moment auch ganz genau, was sie war, ebenso wie ich. Ich konnte es in Ihren Augen sehen. … Ich sollte Ihnen wohl dafür danken, dass Sie dieses Mädchen für mich ausgesucht haben. Wenn Sie sie nicht so angeschaut hätten, dann wäre sie mir vielleicht nie aufgefallen. Sie haben sie mit diesem Blick praktisch eigenhändig getötet. Aber es hat wenig Sinn, dass Sie sich deswegen grämen. Wenn nicht sie, dann wäre es eine andere gewesen. Ich kann Ihnen nur den guten Rat geben, dass Sie in Zukunft mehr darauf achtgeben, was Sie begehren und schätzen.«