Rezension

Verschenktes Potential

Der Liliengarten - Jana Seidel

Der Liliengarten
von Jana Seidel

Bewertet mit 2 Sternen

Als ihr geliebter Großvater, der bekannte Schriftsteller Ernst Hoffmann, stirbt, bricht für Lilly eine Welt zusammen, denn sie erhält diese Nachricht erst viel später von ihrer Mutter Iris, mit der sie kein besonders enges Verhältnis pflegt. Die von Iris überlassene Erbschaft des Gutshauses in Ostholstein ist Lilly ein kleiner Trost, fühlt sie sich ihrem Opa dort immer noch nah, weshalb sie einige Zeit dort verbringt. Dabei findet sie das Tagebuch ihrer verstorbenen Großmutter Isabelle, gefüllt mit vielen persönlichen Informationen und einem alten Foto von der strahlenden Isabelle in einem wunderschönen Garten. Die Neugier ist groß, so dass sich Lilly bald in die Tagebuchseiten vertieft und gedanklich in die Vergangenheit reist, um mehr über ihre Familie zu erfahren und dabei ein altes Geheimnis zu lüften…

Jana Seidel hat mit „Der Liliengarten“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der eine Familiengeschichte über zwei Zeitebenen erzählt und dabei ein altes Geheimnis preisgibt. Der Schreibstil ist flüssig-leicht und angenehm zu lesen, der Leser begleitet Lilly während ihrer Spurensuche und pendelt zwischen den Jahren 1959 und 2020 hin und her, um nach und nach das alte Familiengeheimnis aufzudecken. Die wechselnden Perspektiven sind zwar interessant zu lesen, aber es fehlt ihnen an jedweder Spannung, die den Leser bei der Geschichte mitfiebern und miträtseln lassen. Im Gegensatz dazu sind die Beschreibungen des Gutshauses und des Gartens so bildhaft, dass der Leser sich diese während der Lektüre wunderbar vorstellen kann. Leider weist die Handlung auch keine Besonderheiten auf, die sie von den vielen anderen Romanen dieses Genres unterscheiden würde, so dass der Leser keinerlei Überraschungen erlebt und eher ein Mitläufer ist denn ein Mitspieler, der in die Geschichte miteinbezogen wird.

Die Charaktere besitzen menschliche Ecken und Kanten, jedoch wirken sie unnahbar und nicht gerade sehr sympathisch, was den Leser auf Distanz bringt und ihr Treiben nur begleitet, mit dem Herzen aber nicht dabei ist. Lilly wirkt nicht wie eine erwachsene Frau, sondern eher wie eine verzogene Göre. Sie strahlt keinerlei Wärme und Gefühl aus, aber ihre Mutter Iris ist auch nicht viel besser. Wie sagt man so schön: der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Schade eigentlich, denn etwas mehr Emotionalität hätte den Protagonisten wirklich gut getan und das Lesen des Romans für den Leser leichter gestaltet. Großvater Ernst bleibt auch eher nebulös, er ist die graue Eminenz im Hintergrund. Einzig Großmutter Isabelle bringt etwas Schwung in die ganze Geschichte und kann den Leser mit ihrer Art faszinieren, was leider für solch einen Roman zu wenig ist.

„Der Liliengarten“ ist durchweg unterhaltsam zu lesen und wird sicherlich seine Anhänger finden. Für mich persönlich war es einfach zu wenig an Neuem, an Tiefgang, an Spannung und vor allem zu wenig Gefühl. Das geht besser, keine Empfehlung!