Rezension

Verschenktes Potenzial

Lili und Marleen
von Gisela Stelly

Bewertet mit 2 Sternen

Es gibt diese Geschichten, die man liest und gleich danach sofort wieder vergisst, weil sie so nichtssagend sind. „Lili und Marleen“ von Gisela Stelly ist so eine Geschichte. Dabei besteht der Roman eigentlich aus Stoff, mit dem man durchaus etwas Gewaltiges hätte schaffen können: Zwei aufregende Jahrzehnte Berlin und eine außergewöhnliche Freundschaft zwischen drei Frauen. Der Roman beginnt in der Silvesternacht 1979/80. In der letzen S-Bahn von Ost- nach Westberlin begegnen sich zufällig zwei junge Frauen – Lili und Marleen. Sie beschließen die restliche Nacht gemeinsam zu verbringen und  lernen noch Miss Molly, eine ältere Dame kennen. Von da an kreuzen sich die Lebenswege der drei Frauen immer wieder. Noch zweimal feiern sie auch Silvester zusammen: 1989 und 1999. Diese Geschichte erzählt Stelly aber so temperamentlos, distanziert und leise, dass am Ende überhaupt nichts mehr von ihr übrig bleibt. Lili, Marleen und Molly stolpern durch zwei Jahrzehnte, riesen um die Welt, helfen sich hier und da gegenseitig und quatschen auch mal über ihre Träume und Beziehungsprobleme. Das war es dann aber auch schon. Der Leser bekommt die Protagonistinnen dabei überhaupt nicht zu fassen, so weit weg sind sie. Auch das Setting der Geschichte wird überhaupt nicht berücksichtigt: 1979, als der Roman beginnt, ist Berlin noch geteilt. Zehn Jahre später, 1989 fällt die Mauer und 1999 hat sich die Stadt schon wieder ein Stück weiterentwickelt. Das alles geschieht in dieser Geschichte ganz still, fast schon heimlich. Fast hat man Ende das Gefühl, „Lili und Marleen“ ist noch kein richtiger Roman, sondern  nur eine Ideensammlung. Da kann die sehr poetische Sprache von Stelly auch nichts mehr wett machen.