Rezension

"Verstehen kann man das Leben rückwärts, leben muss man es aber vorwärts"

Diamanten Eddie - Sabine Kray

Diamanten Eddie
von Sabine Kray

Es ist eine ungewöhnliche, sehr schmerzhafte Lebensgeschichte, die uns Sabine Kray in ihrem Buch erzählt.

Sie schildert das Leben ihres Großvaters Edward, der in den 70er Jahren als „Diamanten Eddie“  in Mönchengladbach und Umgebung bekannt wurde. Sein Ruhm basierte auf seiner großen Geschicklichkeit beim Glücksspiel, aber auch auf seinem Knowhow und Erfolg  bei Einbruchdiebstählen in Schmuck- und Pelzgeschäften.  In einschlägigen Kreisen war er bekannt als höflich, großzügig, niemals gewalttätig und als zuverlässiger Freund.

Aber Sabine Kray berichtet nicht nur von der Karriere des  cleveren Einbrechers, sondern  auch darüber, wie Edward zu „Diamanten Eddie“ wurde. Ihr ist es wichtig, dem Leser vor allem Eddies  Jugend- und Kriegserlebnisse nahe zu bringen.

 

Edwards unbeschwerte Jugendzeit in Polen endet abrupt mit Kriegsbeginn im Jahr 1939 ; er wird herausgerissen aus seiner Umgebung, getrennt von seiner Familie. Die Kriegsjahre muss er in diversen Arbeitslagern und als Frontarbeiter verbringen.

 

In ihren Schilderungen geht die Autorin nicht einfach chronologisch vor. Sehr geschickt lässt sie Abschnitte der schrecklichen Lagerzeiten mit Kapiteln aus Eddies Erwachsenenleben abwechseln. So kann sich der Leser selbst ein Bild davon machen, warum Eddies Leben genau so verlaufen ist, warum er  „Diamanten Eddie“ wurde.

 

Das Material zu diesem biografischen Roman hat Sabine Kray aus vielerlei Quellen zusammengetragen: aus Berichten von Verwandten, aber auch aus Erinnerungen von Augenzeugen erstellt sie ein farbiges, lebendiges Porträt ihres Großvaters. Zahlreiche Recherchen zum Leben in Arbeitslagern und Schicksalen von Leidensgenossen ihres Großvaters machen ihre Erzählung so eindrucksvoll. Die Mischung aus Realität und Fiktion, Dokumentarischem und Authentischem wirkt so anschaulich, dass der Leser mit Eddie fühlt und gute und schlimme Zeiten mit ihm gemeinsam durchlebt.

Doch bei aller Tragik bleibt die Autorin angenehm sachlich und vermeidet pathetische Formulierungen. Sie bedient sich einer klaren, präzisen Sprache, die als echt empfunden wird und entscheidend zu einem eindringlichen Leseerlebnis beiträgt.

 

Wie kann es einem derart traumatisierten  Menschen gelingen, wieder Fuß zu fassen in der „normalen“ Welt?  Wie kann er seine Erlebnisse verarbeiten?

„Verstehen kann man das Leben rückwärts“, so ein Zitat des dänischen Philosophen Soeren Kierkegaard, „leben muss man es aber vorwärts“.

Mein Fazit: ein wirklich lesenswertes Buch, das zum Weiterdenken anregt!