Rezension

Verzettelt

Staub zu Staub - Felix Weber

Staub zu Staub
von Felix Weber

Bewertet mit 2 Sternen

In den Niederlanden, 1949. Das Land und die Menschen erholen sich langsam von den Schrecken des Krieges. Siem Coburg, in den dunklen Zeiten im Widerstand tätig, lebt nun zurückgezogen auf einem heruntergekommenen Hausboot. Mit der Welt will er nicht mehr viel zu tun haben. Doch dann wendet sich der alte Bauer Tammens mit einem Auftrag an Coburg. Tammens Enkelsohn starb in einem geistlichen Heim für geistig behinderte Kind einen mysteriösen Tod. Coburg deckt bei seinen Nachforschungen gut gehütete und schreckliche Wahrheiten auf.

 

Staub zu Staub von Felix Weber ist ein durch und durch dunkles Buch. Der Autor schreibt unter Pseudonym. Dahinter steht der Niederländer Gauke Andriesse, der in seiner Heimat ein preisgekrönter Thriller-Autor sein soll. Damit entsteht die Hoffnung, dass der Autor weiß, wie Krimi geht. Nur: Ein Kriminalroman, wie es uns der Verlag verkaufen will, einer „der besten Krimis des Jahres“ sogar, ist Staub zu Staub in meinen Augen nicht. Nicht jede Aufklärung eines Todesfalls ein Krimi. Dieses Buch ist eine Tragödie aus Verrat, Schuld und Rache, eine dramatische Geschichte, die bis in die Zeit des ersten Weltkrieges zurückreicht.

 

Siem Coburg ist ein hoffnungsloser Held, einer der nichts zu verlieren hat. Durch Zufall geriet er in den niederländischen Widerstand. Was bewog ihn zu bleiben, zu tun, was man ihm dort auftrug: Begabung, Überzeugung, Fatalismus, die Liebe zu Rosa, der Tochter des kommunistischen Anführers? Die Dämonen, die ihn verfolgten, schlummerten wohl schon vor dem Krieg in ihm. Danach treibt ihn vor allem der Gedanke an Rache an, ein Dämon, „den er über sich selbst herabbeschworen hatte“.

 

Es ist aber nicht nur Coburg, den die Geister der Vergangenheit quälen. Erinnerungen, die in einer Zeit, in der man am liebsten nur vergessen möchten, schmerzen ganz besonders. So ergeht es auch dem alten Mönch Felix, der während des ersten Weltkrieges Sanitäter in Feldlazaretten war. Seine Tagebuchaufzeichnungen wiederum haben großen Einfluss auf seinen Mitbruder Anselmus, der für die Pflege der „schweren Fälle“ im Heim Sint Nobertus verantwortlich ist. Hinter den Klostermauern lassen sich allerhand Abscheulichkeiten vortrefflich geheim halten.

 

Der Autor erzählt zu viel und verzettelt sich dabei. Wo der Autor an manchen Stellen ausuferte und Details schilderte, die völlig unwesentlich für den Handlungsverlauf sind, fehlen manche Informationen völlig und bleiben dem Auslegungsspielraum des Lesers überlassen. Die zeitliche Verortung fällt manches Mal auch etwas schwer, die Erzählweise verläuft absolut nicht-linear.

 

Inhaltlich hat das Buch Potential für mehrere Bücher. Der Autor spinnt viele Fäden, nicht alle werden letztlich verwoben. Die Gräuel des ersten Weltkrieges, der Naziwahnsinn, der Widerstand dagegen, religiöser Wahn, die Misshandlung schutzbedürftiger Kinder, Mord, Niedertracht auf etwa 400 Seiten unterbringen zu wollen, da bleibt einfach etwas auf der Strecke. Und das ist schade.

 

Mit den letzten Seiten gibt der Autor dem Buch den Anstrich einer Dokumentation. Im Nachwort erfahren wir, dass eine Untersuchung ungeklärter Todesfälle in einem Kloster den Autor inspiriert hat, die Geschichte zu schreiben, aber die sämtliche Personen des Romans Produkte seiner Fantasie sind. Und dass es ihm ein Anliegen war über Krieg und Widerstand zu schreiben. Das muss ich dem Buch zu Gute halten: es sind Themen, die nie in Vergessenheit geraten werden dürfen.