Rezension

Viel Stoff zum Nachdenken

Volle Tonne, leere Teller - Jochen Brühl

Volle Tonne, leere Teller
von Jochen Brühl

Bewertet mit 4 Sternen

„...Sind wir hippe Lebensmittelretter oder biedere Armutsminderer? Was läuft in Deutschland eigentlich falsch, dass es die Tafeln überhaupt geben muss? Und was können wir konkret tun?...“

 

Das Zitat stammt von Jochen Brühl, dem Autoren des Buches. Darin spricht er sehr konkret die zwei Punkte an, um die es unter anderem geht. Einerseits wurden die Tafeln gegründet, um der Verschwendung von Lebensmitteln Einhalt zu gebieten, andererseits ermöglichen sie immer mehr Menschen, sich mit Nahrungsmitteln besser zu versorgen. Des weiteren beleuchtet der Autor den Wert des Ehrenamtes für die Gesellschaft.

Im Buch sind die Ergebnisse von 17 Interviews enthalten, die der Autor geführt hat. So breit gefächert wie die Gesellschaft, so vielfältig ist die Wahl seiner Interviewpartner. Es sind Menschen aus Wirtschaft, Politik und Kultur oder Leute, die sich ehrenamtlich engagieren

Beim Thema Nachhaltigkeit und Lebensmittelverschwendung wird der Fokus mehrmals auf das Mindesthaltbarkeitsdatum gelegt. Aber auch die Wünsche der Verbraucher werden kritisch hinterfragt.

 

„...Warum müssen Supermärkte bis 22:00 Uhr geöffnet haben? Und erwarten wir, dass es um 21: 45 noch frische Brötchen gibt?...“

 

So unterschiedlich wie die Gesprächspartner, so verschieden sind die Antworten. Jeder betrachtet das Thema Nachhaltigkeit und Ehrenamt aus seinem Blickwinkel und bringt sich auf seine eigene Art mit seinen Gaben und Fähigkeiten ein, sei es ein Arzt, der Obdachlose behandelt, der Chef eines Supermarktkette, der übrige Lebensmittel für die Tafel bereitstellt oder eine junge Frau, die selbst Nahrungsmittel von der Tafel erhält und Rezeptvorschläge dafür ins Internet stellt.

Tim Raue, der mit Jugendlichen arbeitet, formuliert das so:

 

„...Regeln zu vermitteln ist elementar wichtig. Was ich im Umgang mit Jugendlichen gelernt habe, ist, Verständnis zu haben, aber auch klare Grenzen zu setzen...“

 

Zu den beeindruckendsten Interviews gehört für mich das mit Dr. Thomas Middelhoff. Er setzt sich kritisch mit der aktuellen Politik auseinander. Ihn haben die Abstürze in seinem Leben geprägt und ihm die Augen geöffnet.

Ab und an gibt es humorvolle Aussagen. So diese:

 

„...Es geht uns allen gut? Klar, wenn man den statistischen Durchschnitt betrachtet. […] Aber was sagt der Statistiker, wenn jemand mit dem Kopf im Kühlschrank und mit den Füßen im Ofen liegt? Im Durchschnitt warm!...“

 

Vieles in dem Buch regt zum Nachdenken über das eigene Tun und Handeln an. Die aussage von Hannes Jaenicke soll als Beispiel stehen:

 

„...Wenn man als Verbraucher seinen Geldbeutel als Waffe versteht und begreift, dass jeder Kassenbon ein Wahlzettel ist, kann man durchaus etwas bewirken...“

 

In kleinen Kästchen gibt es konkrete Vorschläge. Da hätte ich mir allerdings mehr gewünscht.

Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Das sich das eine oder andere wiederholt, liegt an der Thematik und dem Aufbau der Interviews.

Eingefügt sind jeweils mehrere Fotos der Interviewpartner an unterschiedlichen Orten. So bekommt das Ganze ein Gesicht.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Ich möchte meine Rezension mit einem letzten Zitat beenden:

 

„...Lieber kleine Dinge tun, als vor den großen Dingen zu erstarren...“