Rezension

Viel zu verworren - Gute Ideen schlecht umgesetzt

Die Gauklerin - Astrid Fritz

Die Gauklerin
von Astrid Fritz

Bewertet mit 3 Sternen

„Die Gauklerin“ ist der dritte Teil von Astrid Fritz Freiburg-Trilogie. Protagonistin ist Agnes Marxin, Tochter von Marthe-Marie Mangoltin und Enkelin von Catharina Stadellmenin. Als Agnes sich in einen fahrenden Sänger verliebt, verlässt sie ihre Familie, um mit ihm nach Stuttgart zu ziehen. Kaspar lässt sie allerdings schwanger und mittellos in der unbekannten Stadt sitzen und so steht sie in jungen Jahren vor den Scherben ihres Lebens. Mit Glück schafft sie es, sich über Wasser zu halten, doch der 30jährige Krieg streckt bereit seine Fühler nach Süddeutschland. Agnes Brüder, die in ihrer Ideologie unterschiedlicher nicht sein könnten, verschlägt es an verschiedene Fronten. Doch als ihr Mutter Marthe-Marie im Sterben liegt, riskiert Agnes ihr Leben, die Familie noch einmal zu vereinen.
Die beiden ersten Teile der Trilogie haben mich begeistert. Astrid Fritz versteht es, Charaktere lebendig werden zu lassen, sodass der Leser in der Lage ist, dieselbe Flut von Emotionen zu empfinden. Die Erzählungen bargen stets ungeahnte Wendungen und das Ende war somit unvorhersehbar. Verglichen damit bin ich von dem dritten Teil enttäuscht.
Zum ersten Mal versucht Agnes Fritz eine Geschichte aus mehreren Perspektiven zu schildern. Dies ist an sich eine tolle Idee, aber meiner Meinung nach sehr misslungen. Die vermeintliche Protagonistin Ages rückt zum Teil weit in den Hintergrund, zumal sie circa die komplette erste Hälfte des Buches am Kriegsgeschehen weder direkt noch indirekt beteiligt ist. Der größere Fokus liegt vielmehr auf ihren Brüdern, vor allem auf Matthes. Leider erhält der Leser, trotz diesen Perspektivenwechsels sehr wenig Einblick in Matthes Gefühlsleben. Nur aus den Augen anderer Charaktere wird offensichtlich wie ihm der Krieg zusetzt. Matthes selbst hingegen scheint nur als literarisches Instrument zu fungieren, um den Ablauf des Krieges zu erzählen. Dass Matthes Bruder Jakob auf der anderen Seite kämpft, war von der Autorin sicher gedacht, um mehr Informationen über den Krieg bereitstellen zu können. Diese hervorragende Idee ist meiner Meinung nach allerdings weniger gut umgesetzt. Die Beschreibung der Heeresbewegungen von zwei Seiten verwirrt den Leser oft, zumal die Geschehnisse des 30jährigen Krieges sehr komplex sind. Der Verlauf des Krieges wird schwerer nachzuvollziehen, sodass sich der Zweck des Einblicks in beide Fronten verliert. Mehr als einmal hat es auch eine Seite oder länger gedauert, bis ich in der Lage war zu sagen, aus wessen Perspektive (Jakob oder Matthes) gerade erzählt wird.
Ein weiterer Kritikpunkt ist Agnes Fritz Umgang mit Charakteren, die ihren Zweck erfüllt haben. Natürlich waren Krieg, Pest und Hunger Umstände, die einen Großteil der Bevölkerung (im Süden Deutschlands bis zu einem Drittel) in den Tod rissen. Dennoch finde ich es sehr auffällig, dass Charaktere, die aktiv keinen Einfluss mehr auf das Geschehen haben, oft auf sehr künstlich wirkendeWeise sterben. Es wirkt leider so, als wären sie der Autorin nur noch zur Last gefallen und entsorgt worden. Traurig fand ich dies vor allem bei Charakteren, die der Leser bereits aus dem vorangegangenen Teil kannte und ins Herz geschlossen hatte. Traurig allerdings nicht wegen ihres Todes allgemein, sondern aufgrund dessen, dass es nur dem Zweck diente, sie aus der Erzählung auszuschließen - Ballast abzuwerfen.
Mein letzter Kritikpunkt enthält eine recht persönliche Note: Ich war nicht in der Lage der Protagonistin gegenüber Empathie zu entwickeln. Agnes wirkte nett und als Leser wünschte man ihr, wie jedem der „Guten“ nur das Beste, aber ich konnte mich zu keinem Zeitpunkt mit ihr selbst und ihren Entscheidungen identifizieren. Dies könnte natürlich auch eine Folge der Perspektivenwechsel während des Buches sein. Am Rande ist noch zu erwähnen, dass Agnes außerdem mehr als einmal unverschämt unrealistisches Glück hatte.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Erzählung missglückt wirkt und die Handlung verwirrend. Die Charaktere sind um Längen weniger zugänglich als in den ersten beiden Büchern. Nichtsdestoweniger verliert Agnes Fritz nicht den Bezug zur vorangegangenen Geschichte. Spannend und unvorhersehbar ist auch „Die Gauklerin“ und das Ende ist sehr gelungen. Darüber hinaus hat Agnes Fritz es geschafft, mein Interesse am 30jährigen Krieg zu wecken, was wirklich eine Leistung ist. Aus diesen Gründen kriegt „Die Gauklerin“ von mir 3 von 5 Sternen.