Rezension

Viele gute Ansätze, aber weniger wäre mehr gewesen!

Shepard of Sins -

Shepard of Sins
von Martin Gancarczyk

~ Da ich den Autor von Instagram kenne und seinen Einsatz für mehr Diversität in Büchern beeindruckend und wichtig finde, wollte ich natürlich unbedingt, dass mir das vorliegende Werk gefällt. Die gute Nachricht: „Shepard of Sins“ ist das perfekte Urban-Fantasy-Buch für alle, die von magischen Wesen, Orten und Konzepten einfach nicht genug bekommen können! Mir persönlich war es aber von allem etwas zu viel, weniger (Infodumping) wäre hier mehr (Spannung) gewesen! Obwohl die Geschichte in vielen Bereichen überzeugt (Setting, Figuren, Wohlfühlatmosphäre, Grundidee, Diversität), bin ich nach der Lektüre zwar nicht enttäuscht, aber doch etwas ernüchtert. Vielleicht waren meine Erwartungen auch einfach zu hoch. Eine klare Leseempfehlung gibt es von mir deshalb dieses Mal nicht, stattdessen empfehle ich: Macht euch am besten selbst ein Bild! Wenn euch Diversität am Herzen liegt und euch sowohl der Klappentext als auch der Blick in die Leseprobe überzeugen, steht ein paar unterhaltsamen Lesestunden nichts mehr im Wege! ~

Inhalt

Seit dem Jahr 2000 ist alles anders: Schattenwesen (Feen, Sirenen, Gestaltwandler etc.) leben offen unter den Menschen. Aus dem alten Hamburg ist eine Megacity voller Vielfalt, Kriminalität, Technologie und Magie geworden. Als mächtiger Schäfer der Sünden und Geheimagent hat Nicolas bereits standardmäßig genug Ärger am Hals und genug Monster zu bekämpfen. Doch als er herausfindet, dass eine kriminelle Organisation es auf seinen Sohn und dessen Vater, den Kronprinz der königlichen Fae, abgesehen hat, bricht endgültig Chaos in seinem Leben aus – und in seinem Herzen, wo widersprüchliche Gefühle für Bren miteinander kämpfen…
 
Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 von 2
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: männliche und weibliche Perspektive im Wechsel
Kapitellänge: mittel

Tiere im Buch: + Im Buch werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: Tod von Menschen und Fabelwesen, Gewalt, Blut, Erbrechen
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Bitch (wird aber nicht für eine Frau verwendet)

Warum dieses Buch?
 
Ich folge dem sympathischen Autor schon längere Zeit auf Instagram und finde seinen Humor und seinen Einsatz für mehr Diversität in der Literatur wunderbar! Deshalb wollte ich unbedingt einmal etwas von ihm lesen. Seine Neuerscheinung „Shepard of Sins“ kam mir da im Jänner sehr gelegen.
 
Kurzrezension

Das mochte ich…

+ die liebevoll ausgearbeiteten, komplexen und authentischen Figuren mit ihren Ecken und Kanten, die ich sehr sympathisch fand und gerne durch die Geschichte begleitet habe.
+ die Wohlfühl-Atmosphäre, in die ich (besonders nach einem stressigen Tag) immer wieder gerne eingetaucht bin. Auch wenn die Figuren teilweise in Lebensgefahr schweben, sorgen der Humor, die Freundschaften und der Zusammenhalt der „Wahlfamilie“ dafür, dass die Grundstimmung positiv bleibt und man sich beim Lesen einfach wohlfühlt.
+ den Feminismus und die Diversität, die das ganze Buch durchziehen. Man trifft im Buch auf starke, mutige, intelligente Frauenfiguren, auf verschiedene Hautfarben und sexuelle Orientierungen, was ich erfrischend und toll finde! Man merkt, dass dem Autor das Thema auf dem Herzen liegt! Nur einen etwas kritischeren Umgang mit Prostitution hätte ich mir noch gewünscht.
+ den sarkastischen Humor.
+ die unerwarteten Wendungen, die mich immer wieder überraschen konnten.
+ das magische Großstadt-Setting. Ich mochte das pulsierende, vielfältige Zusammenleben in Hamburg (einer Stadt, die nie schläft) und die Tatsache, dass es an jeder Ecke etwas Neues zu entdecken gibt.
+ die Liebesgeschichte, die ich nicht zu zentral und aufdringlich, sondern ziemlich süß und gerade richtig fand.
+ die transparente Triggerwarnung am Beginn des Buches.
+ die hilfreichen Definitionen an den Kapitelanfängen.

"Menschen waren nun einmal die primitivste Form der zivilisierten Gesellschaft in der Neuen Weltordnung und hatten vielerorts kaum etwas zu sagen." Seite 71

 

Das lässt mich zwiegespalten zurück…

~ der flapsige Schreibstil, den ich prinzipiell mochte, der mir aber in manchen Momenten zu „drüber“ war und der nach einer Weile etwas anstrengend werden kann. Ein paar Fehler sind mir auch aufgefallen; sie haben mich beim Lesen aber zum Glück nicht wirklich gestört. Bei Selfpublisher·innen bin ich hier ohnehin nicht so streng.
~ das ausufernde Worldbuilding. Eines kann man nicht bestreiten: Der Autor hat unglaublich viele gute und kreative Ideen – und das finde ich bei einem Fantasy-Buch prinzipiell wunderbar! Das Problem: Für meinen Geschmack waren es deutlich ZU viele. Besonders auf den ersten Seiten wird man vom extremen Infodumping fast erschlagen, eine Fülle an Konzepten, magischen Wesen und magischen Orten prasselt auf einen ein, sodass man gleichzeitig überfordert (von den vielen Informationen) und frustriert ist, weil die Geschichte seitenlang handlungstechnisch auf der Stelle tritt und nicht vorankommt. Weniger wäre hier eindeutig mehr gewesen!
~ der Plot, die Themen und die Umsetzung. Unter dieser riesigen Welt, in der es an jeder Ecke etwas Neues zu entdecken und dementsprechend auch zu beschreiben und erklären gibt, leidet der Plot, der nur sehr langsam voranschreitet und bis zum letzten Drittel (das mir übrigens am besten gefallen hat) im Hintergrund bleibt. Thematisch stehen Freundschaft, Liebe, (Wahl-)Familie, Verantwortung und Trauma im Mittelpunkt; diese Themen werden mit angemessener Tiefe behandelt. Insgesamt habe ich mir einfach mehr erhofft; ob ich die Fortsetzung lesen werde, steht noch nicht fest.
~ der Spannungsbogen. Die Geschichte kommt nur sehr langsam ins Rollen und der Spannungsbogen bricht immer wieder ein. Ich hätte mir hier durchgehendere Spannung und mehr Tempo gewünscht.

"Diese Information würde seinetwegen schneller durch die gesamte Feengemeinde schießen als ein Joghurt durch jemanden mit Laktoseintoleranz – und vermutlich die gleiche Sauerei anrichten." Seite 66

 

Das hat mir nicht gefallen…

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Mein Fazit

Da ich den Autor von Instagram kenne und seinen Einsatz für mehr Diversität in Büchern beeindruckend und wichtig finde, wollte ich natürlich unbedingt, dass mir das vorliegende Werk gefällt. Die gute Nachricht: „Shepard of Sins“ ist das perfekte Urban-Fantasy-Buch für alle, die von magischen Wesen, Orten und Konzepten einfach nicht genug bekommen können! Mir persönlich war es aber von allem etwas zu viel, weniger (Infodumping) wäre hier mehr (Spannung) gewesen! Obwohl die Geschichte in vielen Bereichen überzeugt (Setting, Figuren, Wohlfühlatmosphäre, Grundidee, Diversität), bin ich nach der Lektüre zwar nicht enttäuscht, aber doch etwas ernüchtert. Vielleicht waren meine Erwartungen auch einfach zu hoch. Eine klare Leseempfehlung gibt es von mir deshalb dieses Mal nicht, stattdessen empfehle ich: Macht euch am besten selbst ein Bild! Wenn euch Diversität am Herzen liegt und euch sowohl der Klappentext als auch der Blick in die Leseprobe überzeugen, steht ein paar unterhaltsamen Lesestunden nichts mehr im Wege!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Lilien
Tiefe: 4 Lilien
Umsetzung: 3 Lilien
Worldbuilding: 3 Lilien
Einstieg: 1 Lilien
Ende: 4 Lilien
Schreibstil: 3 Lilien
Figuren: 5 Lilien ♥
Spannung: 3 Lilien
Tempo: 3 Lilien
Wendungen: 4 Lilien
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 4 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 5 Lilien ♥
Einzigartigkeit: 4 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 3 Lilien!