Rezension

Viele Worte, aber sich ständig wiederholender Inhalt

Der Stechlin - Theodor Fontane

Der Stechlin
von Theodor Fontane

Bewertet mit 2 Sternen

"Der Stechlin" handelt von einer märkischen Landschaft Stechlin, in der der alte Dubslav Stechlin der Hausherr ist. Zeitlich befindet man sich kurz vor der Jahrhundertwende, also zu der Zeit, als die Sozialdemokratie die aufstrebende Macht ist. Dubslav befindet sich zwischen Preußentum und nationalem Freiheitsgedanke, zwischen Konservatismus und Sozialdemokratie, zwischen der Frau als Ehefrau und als emanzipierte selbstständige Frau, zwischen Fanatismus und Toleranz. Mit diesen sich zuspitzenden Disputen blickt Dubslav auf seine letzten Lebensjahre.

Alleine eine kurze und prägnante Beschreibung für "Der Stechlin" zu finden, die Lust auf mehr macht, ist schwer zu formulieren und das ist praktisch schon das Fazit für diesen Altersroman Theodor Fontanes. Er ist zwar sehr umfangreich, aber inhaltlich sehr mager. Es passiert so gut wie nichts, der Schwerpunkt liegt definitiv auf den zahlreichen Dialogen, die zum Teil über mehrere Seiten hinweg gehen. Hinzu kommt, dass der thematische Schwerpunkt dieser Dialoge sehr politisch ist, weswegen ein historisches Grundverständnis für die Jahrhundertwende von Vorteil ist. Ansonsten geht es überwiegend über eine Zeit, die kurz vor dem Übergang in die Moderne steht, während ein Großteil der Bevölkerung jedoch am Alten festhält. Diese Diskrepanz wird an zahlreichen Unterthemen aufgearbeitet und das über hunderte von Seiten.

Eine Abwechslung könnte eigentlich sein, dass immer wieder neue Figuren auftauchen. Bis auf den festen Figurenstamm, verschwinden diese jedoch schnell wieder in der Versenkung und das hinterlässt beim Leser Verwirren. Die Stammfiguren treffen auf Nebenfiguren und sprechen über die immer selben Themen, um sich dann diesen mit neuen Gesprächspartnern erneut zu widmen. Dies ist so langatmig, dass die Aufmerksamkeit automatisch leidet.

Das Highlight ist definitiv der alte Dubslav selbst, da er dem typischen "Alten" in realistischen Texten nicht entspricht. Er wird nicht zum Kauz, zum Dementen oder zum Weisen, er lebt von seinem Humor und besticht angesichts seines wachen Verstandes für einen freien Geist im Hinblick auf die Fortschritte der Zukunft. Er ist auch der Charakter, bei dem man beständig bleibt, in den man sich mehr und mehr hineinfühlen kann und den man wirklich lieb gewinnt.

Fazit: "Der Stechlin" kann wirklich nur bedingt überzeugen. Wer Fan von langanhaltenden Dialogen ist, der wird hier seinen Meister finden. Mir persönlich fehlt eindeutig die Handlung, Entwicklungen und überzeugende Figuren. Dubslav wird als positiver "Alter" in Erinnerung bleiben und vor allem die hochaktuelle Thematik um die Jahrhundertwende. Wenn man bedenkt, dass einige Dinge, die Fontane anspricht, noch einige Jahrzehnte in der Zukunft liegt, dann ist Fontanes Geist für die Zukunft zu bewundern, aber den Rest kann man sich schenken!