Rezension

Vielschichtig, interessant, kurzweilig, klug

Zukunftsmusik -

Zukunftsmusik
von Katerina Poladjan

Bewertet mit 4.5 Sternen

März 1985... Fernab von Moskau in einer namenlosen Stadt ertönt Chopins Trauermarsch aus den Radios. Ein Klassiker, welcher bei Beerdigungen gespielt wird, aber für die Einwohner der Stadt wie eine Vorwarnung klingt. „Ihr wisst, was bedeutet“, ruft Jankas Arbeitskollege, der gerade den Trauermarsch aus seinem Transistorradio gehört hat. Janka, Produktionsmitarbeiterin in einer Glühbirnenfabrik, Anfang zwanzig, alleinerziehende Mutter von einem dreijährigen Mädchen, hofft, dass diesmaliger Marsch mehr Licht für die Sowjetunion bringt. So setzt „Zukunftsmusik“ ein...

Die 21-jährige Janka wohnt mit ihrem Großmutter Warwara (60), ihre Mutter Maria (45) und ihre Tochter Kroschka (3) gemeinsam in einem Zimmer in ein Kommunalka. Ein ehemals prachtvolles Haus aus der Gründerzeit, welches jetzt unter sechs Bewohner geteilt wurde. Bad und Küche ist Gemeinschaftssache. Eine sozusagen „Zwangs-WG.“ in dem für die Mieter neun Quadratmeter gesetzlich zur Verfügung steht. Falls ein paar Zentimetern mehr benutzt wird als zugeteilt, muss man halt den Tisch zu Recht sägen, weiß Matwej Alexandrowitsch Bescheid, ein weiterer Bewohner der Kommunalka, an einem geheimen Institut tätig ist. Als Matwej zusammen mit Maria den Trauermarsch aus dem Küchenradio hört, ahnen die beiden nicht, was in einem Tag alles passieren wird...

Mit viel Gefühl fürs Detail und mit präziser, klarer Sprache nimmt Katerina Poladjans ihre Leser*innen in das späte Sowjetunion mit. Wir begleiten ihre Figuren abwechselnd, manchmal Vergangenheit blickend an dem Todestag von Tschernenko. Sehr atmosphärisch erzählt uns aus dem Alltag der Kommunalka-Mitbewohner. Es wird gekocht, gelacht, getuschelt, geredet, geliebt, geboren und wir Leser sind mittendrin. Poladjans katapultiert uns zwar fast dreißig Jahren zurück, aber stimmt einen auch, Grund der heutigen Ereignisse, nachdenklich. Ein kurzer, sehr kluger und hoffnungsvoller Roman, welches ich nur noch weiterempfehlen kann.