Rezension

Vielversprechender Beginn...

Never Say Anything - Michael Lüders

Never Say Anything
von Michael Lüders

Bewertet mit 2.5 Sternen

Die Journalistin Sophie Schelling begibt sich nach Marokko, um für ihre Zeitung einen Reisebericht zu schreiben. Gemeinsam mit Hassan, einem befreundeten Herausgeber eines marokkanischen Magazins, macht sie sich auf den Weg nach Gourrama, einem kleinen Dorf an der algerischen Grenze. Dort will Sophie die 'Himmelstreppe' in Augenschein nehmen und über diese sowie über den Mann, der diese freistehende, himmelhohe Treppe baut, berichten. Trotz der Warnungen, dass sich Al-Qaida Kämpfer in der Gegend herumtreiben, halten Sophie und Hassan an dem Plan fest - und geraten dadurch zur falschen Zeit an einen falschen Ort.

Ungewollt wird Sophie Zeugin eines Drohnenanschlags - zahlreiche Tote und die Zerstörung des Dorfes sind die Folge. Unbekannte retten Sophie aus den Trümmern und sorgen dafür, dass sie verletzt aber lebendig nach Deutschland zurückkehren kann. Ihre Fotos, ihre Beobachtungen und Nachforschungen ergeben einen unglaublichen Verdacht: Sophie beginnt zu ahnen, wer hinter dem Drohnenanschlag steckt. Doch dieses Wissen ist gefährlich. Was fängt man damit an?

"So wie ich das sehe, hast du zwei Möglichkeiten. Du gehst den einfachen Weg und heulst mit den Wölfen. Das garantiert dir Geld, Ruhm, Journalistenpreise und ein bequemes Leben (...) Oder aber du tust genau das nicht. Gibst ihnen vordergründig, was sie haben wollen, und machst gleichzeitig still und leise deine Hausaufgaben. Findest heraus, was da abgelaufen ist. Und bringst diesen unglaublichen Skandal ans Licht." --- Sophie seufzte. "Daran hatte ich auch schon gedacht." --- "Dann hoffe ich, dass du die Sache auch zu Ende gedacht hast. Denn in dem Fall setzt du deine Zukunft aufs Spiel. Diejenigen, die das zu verantworten haben - mit denen ist keineswegs zu spaßen, Sophie. Das sind die mächtigsten Leute. Die sitzen ganz oben. Ungestraft vorführen lassen die sich nicht." (S. 89)

Der Orientexperte Michael Lüders präsentiert hier einen vielversprechenden Beginn in Marokko. Spannend und mit einem Bilderreigen aus Landschaftsszenen des nordafrikanischen Staates, zieht der Autor den Leser rasch in den Strudel der Ereignisse um Drohnenkriege, Geheimdienste und der Suche nach der Wahrheit. Doch kaum wieder in Deutschland, wird man vom Gang der Geschehnisse zunehmend ernüchtert.

Zum einen bleiben die Charaktere recht blass und farblos. Dies betrifft sogar Sophie, die von einer durchschnittlichen Reporterin plötzlich zu einer aufsehenerregenden Enthüllungsjournalistin mutiert, dabei allerdings ständig zweifelt, welche ihrer Entscheiungen richtig sind oder aber ins Verderben führen könnten. Sie erfüllt ihre Rolle, war mir aber zu keinem Zeitpunkt nahe oder sympathisch. Andere Charaktere, die anfangs interessant erscheinen, verschwinden zu rasch und ersatzlos von der Bildfläche, die übrigen Figuren, die im Verlaufe der Ereignisse auftauchen, bleiben nahezu gesichtslos.

Zum anderen ist es das Geschehen selbst, das mich zunehmend unzufrieden werden ließ. Was sich anfangs als spannender Kampf zwischen David und Goliath anlässt, verliert sich irgendwie zunehmend zwischen den Zeilen. Die angeschnittenen Themen bleiben sehr an der Oberfläche - um den Orient geht es nach dem vielversprechenden Anfang kaum noch, eher darum, welche Seite letztlich den längeren Atem hat. Auch das könnte spannend sein, wenn nicht die Handlung immer mehr zerfasern würde und gegen Ende zunehmend unglaubwürdig wirkt. Am Schluss erscheint das ganze gar sehr wirr und eher wie hingeworfene Skizzen denn wie ausgearbeitete Szenen. Willkürlich beinahe und ohne erkennbaren Zusammenhang aneinandergereiht, ließen die geschilderten Szenen für mich auch noch das letzte Quäntchen Spannung versiegen. Das Ende ließ mich noch dazu unbefriedigt zurück, zu viele Fragen bleiben einfach offen. Mich hat da nichts mehr mitnehmen, begeistern oder überzeugen können. Schade. Denn, wie gesagt: der Anfang war vielversprechend.

© Parden