Rezension

Vier Zeiten, vier Stimmen

Nachts ist es leise in Teheran - Shida Bazyar

Nachts ist es leise in Teheran
von Shida Bazyar

Bewertet mit 5 Sternen

Iran 1979, die Islamische Revolution ist vorüber, der Schah geflohen, die Mullahs an der Macht. Der junge Lehrer Behsad ist Kommunist, die meiste Zeit lebt er im Untergrund. Als einer seiner besten Freunde inhaftiert wird, begibt er sich mit seiner Frau und zwei kleinen auf die Flucht. Über die Türkei gelangt die Familie in die damalige BRD.

In Nachts ist es leise in Teheran lässt die in Deutschland geborene iranisch stämmige Autorin Shida Bayzar vier Familienmitglieder im Zehnjahresrhythmus zu Wort kommen. Den Anfang macht Behsad in einer Zeit des Um- und Aufbruchs. Seine Frau Nehad erzählt vom Leben nach der Flucht, von einer Ankunft in der Fremde. Als 1999 die Tochter Laleh gemeinsam mit der Mutter und der schon in Deutschland geborenen Schwester einen Besuch in Teheran machen können, erzählt Laleh von einem Land, das keine Heimat mehr ist. Ihr Bruder Morad beschäftigt 2009 sein Studentenleben und muss selbst die iranische Revolution googeln.

Vier Zeiten, vier Stimmen. Auffallend war mir, dass die männlichen Stimmen in mir kein positives Gefühl erzeugten, sie kamen mir distanziert, abgehackt, unnahbar vor, während die weiblichen Stimmen gefühlvoller, bildhafter und mitreißender durchkamen.

Die Geschichte handelt von Heimat, Identität und der Suche nach der Suche nach dem Platz im Leben. Menschen, die entwurzelt sind, deren alte Heimat kein Leben mehr bietet, das Leben in einem fremden Land aber nicht zur Heimat werden kann. Ein Leben zwischen den Welten, voller Sorge um die Daheimgebliebenen und der Angst vor der Zukunft. Kinder, deren Band zur Ursprungsfamilie gekappt wird, mit einer völlig anderen Lebensweise aufwachsen, der Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben, um all diese Themen kreist dieser Roman. Es ist ein schmales Buch, nicht immer leicht zu lesen und trotzdem voll wertvoller Momente und ein großartiger literarischer Beitrag zu dem immer noch politisch aktuellen Thema der Flüchtlingskrise.