Rezension

Voller Wärme, Tragik, Ironie und Hoffnung

Baba Dunjas letzte Liebe, 4 Audio-CDs - Alina Bronsky

Baba Dunjas letzte Liebe, 4 Audio-CDs
von Alina Bronsky

Klappentext:
Baba Dunja ist eine Tschernobyl-Heimkehrerin. Wo der Rest der Welt nach dem Reaktorunglück die tickenden Geigerzähler und die strahlenden Waldfrüchte fürchtet, baut sich die ehemalige Krankenschwester mit Gleichgesinnten ein neues Leben auf. Wasser gibt es aus dem Brunnen, Elektrizität an guten Tagen und Gemüse aus dem eigenen Garten. Die Vögel rufen im Niemandsland so laut wie nirgends sonst, die Spinnen weben verrückte Netze, und manchmal kommt sogar ein Toter auf einen Plausch vorbei. Während der sterbenskranke Petrov in der Hängematte Liebesgedichte liest, die Gavrilovs im Garten Schach spielen und die Melkerin Marja mit dem fast hundertjährigen Sidorow anbandelt, schreibt Baba Dunja Briefe an ihre Tochter Irina, die Chirurgin bei der deutschen Bundeswehr ist. Und an ihre Enkelin Laura. Doch dann kommen Fremde ins Dorf – und die Gemeinschaft steht erneut vor der Auflösung. Alina Bronsky lässt in ihrem neuen Roman eine untergegangene Welt wieder auferstehen. Komisch, klug und herzzerreißend erzählt sie die Geschichte eines Dorfes, das es nicht mehr geben soll – und einer außergewöhnlichen Frau, die im hohen Alter ihr selbstbestimmtes Paradies findet. Auf kleinem Raum gelingt ihr eine märchenhafte und zugleich fesselnd gegenwärtige Geschichte.

Die Autorin:
Alina Bronsky, geboren 1978 in Jekaterinburg/Russland, lebt seit Anfang der 90er-Jahre in Deutschland. Ihr Debütroman Scherbenpark wurde zum Bestseller, ist inzwischen beliebte Lektüre im Deutschunterricht und wurde fürs Kino verfilmt. Es folgten die Romane Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche und Nenn mich einfach Superheld. Die Rechte an Alina Bronskys Romanen wurden in 15 Länder verkauft. Sie lebt in Berlin.

Meine Meinung:
Baba Dunja ist nach Tschernowo zurückgekommen. Jenen Ort, der in der Todeszone des Reaktorunglücks von Tschernobyl liegt. Sie ist eine alte, intelligente und äußerst schlagfertige Frau, die genau weiß, was sie tut. Sie möchte dort ihren Lebensabend verbringen, daraufhin sind ihr auch andere gefolgt. Man kennt Baba Dunja, über sie wurde berichtet. Mit kargen Mitteln und den hilfreichen Päckchen ihrer Tochter Irina hält sie sich über Wasser. Genau wie sie suchen die anderen Bewohner nach Ruhe. Man bildet zwar eine Gemeinschaft, aber jeder hat seinen Freiraum, was alle sehr schätzen.
Die Tierwelt hat sich verändert, ein Biologe war da, um die Gegend zu untersuchen. Wer dort lebt, hat keine Angst vor den Strahlen und lebt mit den Nachwirkungen der Katastrophe. Doch eines Tages kommt ein Fremder in das Dorf, der das geruhsame Leben unterbricht.

Auf eine wunderbare herzerwärmende Art hat Alina Bronsky eine Momentaufnahme einer Frau geschaffen, die stark, voller Humor und Willenskraft ist. Baba Dunja geht ihren Weg, erzählt von der Vergangenheit und kämpft um ihre Zukunft. Herrlich komisch kommt die kleine Geschichte daher, angereichert mit Lebensweisheiten und dem Scharfsinn der weiblichen Hauptfigur. Sie sieht tote Dorfbewohner, kümmert sich um die anderen, die auch wie sie realistisch gezeichnet sind, und das entlockt dem Leser so manches Schmunzeln.

„Wenn ich mir unser Dorf angucke, habe ich nicht das Gefühl, dass hier nur lebende Leichen herumlaufen. Manche werden es nicht mehr lange machen, das ist klar, und daran ist nicht nur der Reaktor schuld.“

Die Autorin versteht es, dieses grauenvolle Stück Vergangenheit mit dem Lebenswillen und der Zuversicht der Einheimischen zu verbinden. Man kann nachfühlen, was passiert ist und hat dennoch ein Lächeln im Gesicht. Diese Gratwanderung gelingt äußerst gut.

Mit 154 Seiten ist das Buch ein Auszug aus dem Leben von Baba Dunja, und davon hätte ich gern mehr gelesen. Aber auch die Kürze macht die Geschichte zu etwas Besonderem. Im Leben wird die Entwicklung auch weiter geschrieben, es ist nicht an der Stelle vorbei, wo ENDE auf der letzten Seite steht. So kann auch der Leser weiterdenken, sinnieren und sich fragen, welche Abenteuer diese energische Frau noch erleben wird. Denn eines ist sicher: So leicht lässt sie sich nicht unterkriegen!
„Ich habe alles gesehen und vor nichts mehr Angst. Der Tod kann kommen, aber bitte höflich."

Eine besinnliche Erzählung voller Wärme, Tragik, Ironie und Hoffnung.