Rezension

Vom armen Waisenkind zur selbständigen jungen Frau, die am Ende ihr Glück findet

Jane Eyre - Charlotte Brontë

Jane Eyre
von Charlotte Bronte

Bewertet mit 5 Sternen

Das klingt zu schön, um wahr zu sein, aber warum soll eine Geschichte, die bedrückend anfing, nicht ein Happy End haben? Dieser Klassiker aus der viktorianischen Zeit hat mir ausnehmend gut gefallen, wenn ich auch hin und wieder die Sprache etwas zu schwülstig oder pathetisch fand:

"Mein Herz, das so lange verdorrt und versengt gewesen war, schwoll bei diesen Tönen, und meine Seele, mit frischem Blut genährt …"

Aber man kann gar nicht anders, als der tapferen, willensstarken Jane Eyre Bewunderung und Sympathie entgegenzubringen. Wie erbärmlich verliefen Kindheit und Jugend! Als Waisenkind in der Familie ihres Onkels wuchs sie ohne Liebe auf und wurde von ihren Verwandten gequält. Im 'Institut für Waisen' des bigotten und heuchlerischen Geistlichen Mr. Brocklehurst war es noch schlimmer. Trotzdem blieb Jane Eyre sie selbst: aufrichtig, gerade heraus und mit ungeheurem Gerechtigkeitssinn versehen. Sie überlebt Hunger, Kälte, sadistische Erzieherinnen und eine Typhus-Epidemie. Erst danach verbessern sich die äußeren Verhältnisse. Jane Eyre führt viele Gespräche mit Helen Burns, einer demütigen, religiösen Mitschülerin und bildet sich ihre eigene Meinung zum 'Gehorchen' und zur 'Demut'.

"Nicht mit Gewalt überwindet man Hass, und die Rache ist nicht der beste Balsam für Kränkungen."

Nach einigen Jahren als Lehrerin an dieser Schule ergreift Jane die Initiative und bewirbt sich als Gouvernante, ein ungeheurer Akt von Emanzipation und Selbständigkeit in der damaligen Zeit. Sie trifft es gut an im Herrenhaus von Thornfield, wo sie die kleine Alice aus Paris unterrichten und erziehen soll. Der Hausherr Edward Rochester ist nur selten zu Hause, aber als er kommt und länger bleibt, entdecken sie in vielen Gesprächen ihre Seelenverwandtschaft. Jane verliebt sich in ihn, macht sich aber wegen der sozialen Unterschiede keine Hoffnungen.

Doch auch Edward liebt die kleine, unscheinbare Jane und macht ihr einen Heiratsantrag. Sie stehen schon vor dem Traualtar, als etwas Schreckliches geschieht. Ein furchtbares Geheimnis, das schon vorher hin und wieder angedeutet wurde und Unruhe und Überlegungen im Leser erweckte, tritt zutage. Jane flieht ohne Mittel bei 'Nacht und Nebel', weil sie ihren Grundsätzen treu bleiben will.

Wie es dann weiter geht, soll im Einzelnen nicht verraten werden, aber dass es ein glückliches Ende gibt, ist bei diesem Klassiker der Weltliteratur bekannt.

Was mir nun trotz der etwas übertriebenen Sprache gut gefallen hat, sind die beiden Hauptpersonen: der leidenschaftliche Edward Rochester, der keinen Standesdünkel hat, auch ungewöhnlich für die damalige Zeit, und Jane Eyre mit ihren unbeugsamen Wertvorstellungen, die sie nicht verraten will, die sie gegen alles verteidigt und wofür sie große Nachteile in Kauf nimmt.

So jung sie ist, hat sie ihren eigenen festen Standpunkt und bleibt stets integer und ihren Überzeugungen treu. Das ist für die damalige Zeit besonders bemerkenswert, denn die Stellung der Frau im viktorianischen England ließ nicht viel Platz für Selbstbestimmung und Emanzipation.

Die Autorin Charlotte ist eine der drei Brontë-Schwestern und veröffentlichte 'Jane Eyre' zuerst unter dem Pseudonym Currer Bell, ein Buch, das damals eine literarische Sensation darstellte und heute einen festen Platz im Klassiker-Kanon hat.