Rezension

Von alten Texten und kulturellen Eigenarten

Mit den Augen der Apostel -

Mit den Augen der Apostel
von E. Randolph Richards

Bewertet mit 4 Sternen

Lesenswert.

Wie kann man die Bibel richtig verstehen? Damit beschäftigt sich das Büchlein. 
Von den beiden amerikanischen Autoren ist zumindest einer, nämlich Randy als Missionar im Ausland/Indonesien tätig gewesen. Die Anekdoten, die Randy von seinen Reisen und Tätigkeiten erzählt, lockern das Buch auf; zum Beispiel als er einer Gruppe von angehenden Missionaren eröffnete, dass ein Häppchen „Hund“ die wahrscheinlich annehmbarste Option von allen angebotenen Speisen für sie wäre. Der andere, Brian, hat einen Master von einer staatlich anerkannten Bibelschule und schreibt Bücher wie dieses hier. Mehr konnte ich nicht in Erfahrung bringen auf die Schnelle. Beides sind evangelikale Christen.
Es ist den beiden Autoren wichtig bewusst zu machen, dass die Heilige Schrift (Bibel) ein Buch ist, das aus (ur)alten Texten besteht und aus einem ganz anderen Kulturkreis kommt als der westliche Leser. Darum sollte man sich, wenn man die Bibel richtig verstehen will, mit dem kulturellen Kontext der damaligen Zeit/Land auseinandersetzen und sich der kulturellen Scheuklappen bewusst werden, die wir alle haben. Oft wird dies aber nicht geleistet und die Lücken, die aus stillschweigenden Voraussetzungen der damaligen Sitten und Gebräuche sich in den Texten befinden (was selbstverständlich für die damaligen Leser war musste man nicht erwähnen) werden von mit unseren eigenen Denkgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen gefüllt - dies führt zu unbilligen Interpretationen.
Die Autoren bringen Beispiele aus ihrem Wirkungskreis, aus ihrem Erleben und ihrer Erkenntnis. Sie bauen ihr Buch systematisch auf, nach jedem Kapitel gibt es „Schlussfolgerungen“, daran anschließend ein Kapitel mit „Gedankenanstößen“. 
Sehr erhellend sind zum Beispiel die Einlassungen und Erklärungen über Kulturen, die nicht den Individualismus in den Vordergrund stellen wie es die westliche Welt zu tun pflegt, sondern den Gemeinschaftssinn stark betonen sowie die Erkenntnis, dass eine wortwörtliche Übersetzung anderer Sprachen zu Missverständnissen führen kann, denn wenn einer dasselbe sagt, meint er nicht dasselbe, das geht so weit, dass sogar politische Dissonanzen entstehen können. 
Ein Beispiel:.Randy übersetzt aus dem Indonesischen.
„Kannst du mir bei dieser Sache helfen“ fragt der Besucher. Antwort des Indonesiers „Ja“. Randy übersetzt aber mit „Vielleicht“. Fragt der Besucher weiter, „Kannst du mir morgen helfen?“ Der Indonesier sagt, „vielleicht“, Randy übersetzt aber „Wahrscheinlich eher nicht“. Mit anderen Worten, Randy übersetzt das Gemeinte und nicht das Wörtliche. Allgemein: eine klare Warnung an diejenigen, die auf eine wörtliche Übersetzung und Auslegung der Bibel „schwören“.
Aufschlussreich auch die Ausführungen zu unserer "heiligen" Privatsphäre.

Fazit: Lehrreiche Lektüre, ab und an mit zu pastoralem Zungenschlag. 

Kategorie: (christliche) Erbauungsliteratur
Verlag: SCM R.Brockhaus 2023