Rezension

Von einem der auszog, das Paradies zu finden

Die besseren Wälder - Martin Baltscheit

Die besseren Wälder
von Martin Baltscheit

Es waren einmal drei Wölfe, die wollten in eine bessere Zukunft aufbrechen. In der Heimat gab es für sie nur Gemüse und kein saftiges Fleisch, außerdem mussten sie immer frieren. Sie machten sich auf in die besseren Wälder, weil es dort Gerüchten zufolge Lammfleisch in Hülle und Fülle gibt. Leider vergaßen sie dabei, dass das Land von Schafen regiert wird, die sich ihre Feinde mit einem Zaun vom Wollleibe halten, sowie alles Fremdartige gnadenlos töten. So geschah es, dass nur das kleine Wolfsjunge die beschwerliche Reise überstand und wie eine Flocke dem kinderlosen Paar Frauke und Wanja vor die Füße fiel. Das Schafsehepaar nahm sich seiner als ihren ersehnten Sohn Ferdinand an und zogen ihn als vegetarischen Paarhufer auf. Als in der Nacht der heiligen Schur ein Lamm aus ihrer Mitte gerissen wird, muss sich Ferdinand seiner animalischen Vergangenheit stellen und das blökende Paradies zurückerobern.

Bei diesem Buch aus dem Beltz & Gelberg Verlag sticht zuerst die knallbunte Gestaltung ins Auge und man fühlt sich nach den ersten Seiten wie in einem Bilderbuch für junge Erwachsene, da uns beinahe nach jedem Umblättern ein neues Gesicht begrüßt. Die Zeichnungen, welche Martin Baltscheit selbst gestaltet hat, waren in meinen Augen nicht immer hübsch und ästhetisch, aber ihre Individualität und die stumme Botschaft umso schärfer. Denn diese sind ganz an der Idee einer Tierparabel orientiert. In einem Moment ist Ferdinand ein stattlicher Wolf mit düsterer Mine, dann ein lammfrommes Schaf als singender Musterknabe und dann wieder ein normaler Junge im Schoße seiner Eltern. Die Austauschbarkeit der eigenen Persönlichkeit, die sich an die Gegebenheiten anpasst, wird also schon mit der nonverbalen Kommunikation deutlich und genau hier liegt auch der Fokus bei dem Autor, der alle Bücher seiner Tochter widmet.

Nie war die Einwanderungspolitik aktueller und nie damit die Diskussion über fremde Kulturen und Ansichten lauter, die mit dem absonderlichen Wolf im Schafspelz ein Gesicht bekommt. Unweigerlich stellt man sich die Frage, ob das andersartige Raubtier seine raue Natur verlernen, sich als Bock eingliedern kann oder es gewollt hätte, wenn er vor die Wahl gestellt wäre. Ist Ferdinand ein besserer Wolf, ein besseres Schaf oder ein perfekt integriertes Wesen in beiden Welten?

Manche Szenen aus dem Mittelteil, die der Autor wohl für seine Zielgruppe aufgepeppt hat, einschließlich eines Dialogs über den Regelbruch waren für mich zu langatmig und haben das ansonsten sprachliche Parabel-Paradebeispiel minimal entzaubert.
Eigene Handlungsweisen werden, wie es solche Erzählungen versprechen, durch das tierische Gleichnis kritisch beleuchtet, wobei ich feststellen musste, dass ich im Herzen ein Schaf bin, denn Traditionen und Stabilität zählen für mich sehr. *mäh* ;-)

Zum Abschluss habe ich „Die besseren Wälder“ noch einmal mit Freude durchblättert und hoffe, dass alle Leser den deutlichen moralischen Grundsatz erkennen und im wahren Leben anwenden können, nur dann können wir alle gemeinsam unsere Freiheit ohne Angst genießen.