Rezension

Von einem, der zu früh auszog.

Den Teufel im Leib -

Den Teufel im Leib
von Raymond Radiguet

Bewertet mit 3.5 Sternen

Zugegeben, die Gestaltung dieses Romans, der posthum 1923 das erst Mal erschien und nun im Pendragon Verlag zu lesen ist, zeugt von liebevoller Gestaltung. Die Zeichnungen des einstigen Weggefährten Jean Cocteau liegen wie kleine Versöhnungspausen im Text, der mit Briefen und Gedichten einen tröstenden und erklärenden Abschluss findet. Hinrich Schmidt-Henkel hat hier all sein Können mit einer gut lesbaren Neuübersetzung unter Beweis gestellt. So weit, so gut.

Was uns aber der jung verstorbene Autor, er wurde nur 21 Jahre, hier für eine Geschichte vorlegt, testet, selbst mit unseren heutigen liberaleren Vortsellungen, die Grenzen des Laissez-Faire aus und ließ mich den Weg vom verzeihungswürdigem Jungspundtum, über das kritische Kopfschütteln angesichts von menschenverachtenden Überschreitungen, bis hin zu erschrockenem Wegschauen, in allen bemerkenswerten Schritten gehen. Umso mehr, weil im Nachwort klar wird, dass der Autor diesen Roman im Alter von nur 17 Jahren verfasste und starke autobiografische Züge aufweist. Es bleibt natürlich reine Spekulation, ob es diese Liebe auch im wirklichen Leben des Radiguet gegeben hat, doch sicherlich dürfen wir dahinter zumindest eine Wunschvorstellung vermuten.

Nun, der 15jährige Francois beginnt eine Liebesbeziehung mit der 18jährigen Marthe. Der Skandal liegt nicht im Altersunterschied, sondern darin, dass Marthe bereits verheiratet ist. Ihr Gatte kämpft an der Front im 1. Weltkrieg. Der Jüngling weiß was er will, aber auch die ältere Geliebte ist nicht abgeneigt und bereitet ihrem Seitensprung den Weg. Nachbarn und Vermieter, die von der Beziehung Wind bekommen, werden getäuscht, oder ignoriert. Vor den Eltern wird alles geheim gehalten, doch auch sie erfahren bald von den Abenteuern ihres Sprößlings. Stolz und Gelassenheit kennzeichnen zunächst ihre Reaktionen, doch als es zum Äußersten kommt, versucht man dem jungen Heißsporn ins Gewissen zu reden.

Wegweisend für den Handlungslauf sind allerdings Francois Aufs und Abs seiner Gefühle, seine bis ins Absurde gesteigerte Gedanken, die ihm sogar einflüstern wollen, er wäre ermächtigt, Marthes Mann aufzufordern, ihren gemeinsamen Schatz besser zu hüten. Er schafft es erstaunlicherweise doch nur zum Diktat der Briefe, die Marthe an die Front schickt. Seine teuflischen Einmischungen wurden schon in seiner letzten Schule deutlich, doch mit diesem Husarenstück meint er endgültig die Macht über sein Schicksal zu haben, bis ihm das wahre Leben dazwischenfunkt.

Sich keiner Schuld bewusst, schiebt er die besonderen Zeiten des Krieges, seine jugendlichen Triebe, seine überlegene Intelligenz und seinen außerordentlichen Mut, der durch keine elterlichen Erziehungsmaßnahmen Einhalt geboten wurde, diesem Abenteuer vor. Die Perspektiven seiner Opfer fehlen in diesem Roman gänzlich, dem Ende gehen Einsicht und Lehre ab.

Der juvenile, hormondurchströmte Plot lässt vielleicht erahnen, wozu Raymond Radiguet noch imstande gewesen wäre, wenn ihm die Zeit vergönnt gewesen wäre, so aber bleibt dieser Roman Zeuge für die Vorlieben der Skandalhungrigen jener Zeit und Schaustück für ein jäh geendetes Künstlerleben.