Rezension

…von einer herzerwärmenden Schlichtheit!

Leb wohl, Mister Chips -

Leb wohl, Mister Chips
von James Hilton

Manchmal braucht es nur einige wenige Seiten, und mir wird warm ums Herz. Manchmal braucht es nur eine einfache Geschichte, und eine Träne der Rührung rinnt. Manchmal braucht es nicht viel…!

Er war jahrzehntelang Lehrer in Brookfield, einem Jungeninternat. Er hat Hunderte, wenn nicht Tausende von Schülern unterrichtet. Er war kein wirklich guter Lehrer, Ambitionen hatte er keine. Aber er hatte Humor, Prinzipien, vor allem aber einen warmherzigen Blick auf die Welt. Die Schüler liebten ihn, und so ist er in Brookfield zur Legende geworden. Einst lebte Mr. Chips für seine Schüler, nun lebt er in den Büchern, die er liest. Ein kurzes, unverhofftes Liebesglück hat er erleben dürfen, aber das ist lange her. Jetzt wohnt er bei der Haushälterin Mrs Wickett, sitz vor allem am Kamin – und erinnert sich.

(Inhaltsangabe dem Klappentext des Buches entnommen!)

"Good-bye, Mr. Chips" von James Hilton ist eine dieser Geschichten, die nicht mit einem Paukenschlag auf dem literarischen Parkett erscheinen und für einen großen Wirbel sorgen. Vielmehr kommt sie recht unspektakulär daher und erregt dabei kaum Aufsehen. Allzu schnell könnte sie im grellen Karussell der Belletristik ignoriert werden, da ihr die Eitelkeit, sich in den Vordergrund zu drängen, gänzlich fehlt. Doch ihre emotionale Kraft entwickelt sie in aller Stille.

Beinah schlicht wird die Geschichte eines Mannes erzählt, der seinen Platz in einem überschaubaren und geordneten Leben gefunden hatte, der bescheiden sich und seine Fähigkeiten nicht überschätzte, und der somit auch nie nach Höherem strebte. Vielmehr sah er seine Bestimmung genau darin, diesen kleinen Part innerhalb des großen Weltgeschehens zu spielen, um so genau diese minimalistische Lücke zu füllen.

Fragmentarisch lässt uns der Autor einen Blick auf die Biografie seines Helden werfen: Anfangs wirkten die einzelnen Passagen ohne einen sofort erkennbaren Handlungsfaden etwas konfus auf mich. Doch der Autor wirft – wie beim Impressionismus der Maler die Farbkleckse auf die Leinwand – die einzelnen Fragmente auf das Papier, bis sich diese zu einem Gesamtbild bündeln. Am Ende sah ich hinab auf das Büchlein in meiner Hand und erkannte in ihm ein kleines, bescheidenes Kunstwerk.

Mit jedem der Fragmente, die James Hilton mir beim Lesen offenbarte, träufelte er mir ebenso einen Tropfen Melancholie in mein Herz. Melancholie! Keine Trauer! Denn traurig ist diese Erzählung über den einfachen Schullehrer Mr. Chipping (von den Schülern liebevoll Chips genannt) nie: rührend und charmant, bewegend und amüsant – dies alles ist diese Geschichte durchaus – und dazu absolut herzerwärmend.

Die Lektüre schenkte mir eine Ruhe, die oft im launischen Allerlei des Alltags abhandenkommt. Ich durfte wieder einmal tief durchatmen, in mich hineinfühlen und mich auf das besinnen, was wirklich wichtig ist im Leben.

Mister Chips war nicht viel. Er war kein „Jemand“. Er war nur ein warmherziger Lehrer und ein guter Mensch. Und das ist schon eine ganze Menge…!