Rezension

Wahrheit und Fiktion verschwimmen miteinander

Stummes Echo - Susan Hill

Stummes Echo
von Susan Hill

Bewertet mit 4 Sternen

Die vier Geschwister May, Frank, Colin und Berenice Prime sind auf einem Farmhaus im Norden Englands aufgewachsen, dem Beacon. Berenice und Colin gehen nach London und bauen sich dort ein eigenes Leben auf. Sie kommen nicht oft zurück auf den Hof ihrer Eltern. May jedoch kehrt schon nach ihrem ersten Studienjahr zurück, sie leidet unter Panikattacken und fühlt sich nur auf dem alten Hof sicher, dort kümmert sie sich fortan um ihre Eltern. Frank hat keinen Kontakt zum Rest der Familie und erst nach einigen Seiten erfährt der Leser warum. Obwohl die Kindheit der vier anstrengend war, hatten sie dennoch eine ruhige und glückliche Zeit auf dem Hof der Eltern. Dennoch beschließt Frank eines Tages ein Buch zu schreiben, in dem er behauptet, seine Familie hätte ihn sowohl psychisch als auch physisch misshandelt. Die Geschwister verstehen nicht, wie er so etwas tun konnten. Erst nach dem Tod der Mutter treffen sie wieder auf Frank.

Das Buch ist sehr dünn, doch Susan Hill schafft es trotzdem viel zu übermitteln. Sie erzählt in einer flüssigen Sprache eine Geschichte, die eher still ist und den Lesser dennoch in seinen Bann zieht. Es passiert nicht viel, aber die Vergangenheit v.a. von May und Frank werden sehr eindrücklich geschildert. Die anderen beiden Geschwister bilden eher Nebencharaktere und man erfährt nicht allzu viel über sie, was mich jedoch nicht sonderlich gestört hat. Umso mehr wird nämlich auf die anderen beiden eingegangen, deren Lebensweg nicht unterschiedlicher sein könnte. May, geplagt von ihrer Angst, flieht zurück in die Sicherheit ihrer Kindheit während Frank in London Karriere als Journalist macht und sich von seiner Familie abkapselt.
Immer wieder kommt die Frage nach der Wahrheit auf. Kann es sein, dass Menschen ihre Kindheit so unterschiedlich wahrgenommen haben? Die Zweifel nehmen zu und Erinnerung und Fiktion verschwimmen zunehmend miteinander. "Stummes Echo" ist eine eher leise Geschichte, die dennoch eine Sogwirkung entwickelt und mich berührt und zum Nachdenken angeregt hat. Sehr empfehlenswerte Lektüre!