Rezension

Warum mussten die Eltern sterben?

Rüebliland - Ina Haller

Rüebliland
von Ina Haller

Bewertet mit 5 Sternen

„...Deine Eltern haben dich geliebt. Lass dir gesagt sein, du hast das grosse Los gezogen. Du konntest dir keine besseren Eltern wünschen...“

 

Die 28jährige Samantha steht mit ihren Kollegen Spalier, als der Laborleiter Andre`Villinger Laura heiratet. So bald es geht, verlässt sie den Platz. Sie freut sich auf den gemeinsamen Urlaub mit ihren Eltern. Doch daraus wird nichts. Als sie die Wohnung betritt, findet sie beide tot vor. Der Fall landet bei Christian Bachmann und Fritz Landolt.

Die Autorin hat einen fesselnden und informativen Krimi geschrieben. Das Buch ließ sich nur schwer aus der Hand legen.

Der Schriftstil lässt sich flott lesen. Es passt sich dem jeweiligen Inhalt an. Samantha lebt zwar in der Schweiz, doch ihre Wurzeln liegen in Indien. Sie wurde als Kind adoptiert, als ihr Vater geschäftlich in Indien war.

Der Überfall auf die Eltern war kein Einbruch, denn es fehlt nichts. Erst Tage später stellt Samantha fest, dass ihre Adoptionsunterlagen verschwunden sind. Zu dem Zeitpunkt hat sich schon Ranjana bei ihr gemeldet, die anfragt, ob sie ihre verschwundene Schwester ist. Plötzlich weiß Samantha nicht mehr, was sie glauben soll. Laut Aussage ihrer Eltern war sie eine Waise, die ihre Familie bei einem Brand verloren hat.

Die Autorin versteht es, durch geschickte Fragen von Bachmann Samanthas Leben vor mir aufzublättern. Allerdings habe ich bei seinen Fragen immer den Eindruck, dass er einen fremdenfeindlichen Hintergrund nicht ausschließt.

Sehr behutsam werden Samanthas Befindlichkeiten beschrieben. Im Haus der Eltern empfindet sie Beklemmung. Nach Ranjanas Mail weiß sie außerdem nicht mehr, was sie glauben soll. Haben ihre Eltern sie belogen? Sowohl ihre beste Freundin Lorena als auch ihr Onkel Valentin raten ihr von weiterer Kontaktaufnahme mit Ranjana ab. Sie halten sie für eine Schwindlerin. Das Eingangszitat stammt von Sonja, ihrer Schwägerin.

Die Ermittlungen der Polizei laufen lange ins Leere. Es gibt weder Spuren noch Motiv.

Dann aber soll Samantha ihren Vorgesetzten zu einem Audit nach Indien begleiten. Wird sie mit neuen Erkenntnissen zurück kommen?

Sehr differenziert werden die Verhältnisse in Indien geschildert. Die Zusammenarbeit mit den einheimischen Firmen ist nicht konfliktfrei. Samantha wird nicht nur mit Hochglanzhotels, sondern auch mit den Schattenseiten der Städte konfrontiert. Dazu gehört die allgegenwärtige Luftverschmutzung. Tiefgründig wird das Schicksal von Mädchen dargelegt. Das klingt dann so:

 

„...Sie war nicht gewollt und Ballast gewesen. Man hatte sie fortgeschmissen. Verkauft wie Ware. Nur weil sie ein Mädchen war...“

 

Gerade die Abschnitte in Indien sind nicht nur authentisch, sondern ebenfalls emotional bewegend.

Trotzdem ist Platz für Humor oder Ironie, wie das folgende Zitat von Joel belegt:

 

„...Gewöhne dich am besten gleich daran. Die Engländer haben die Bürokratie nach Indien gebracht, und die Inder haben sie perfektioniert...“

 

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist nicht fesselnd geschrieben, hat eine sympathische Protagonistin und greift ein wichtiges Thema auf.