Rezension

Was Bäume so draufhaben

Strategien der Natur - Erwin Thoma

Strategien der Natur
von Erwin Thoma

Bewertet mit 4 Sternen

»Wenn wir das Leben der Bäume genau beobachten und begleiten, dann werden wir rasch bemerken, dass uns diese Beschäftigung beschenkt, stärkt und bereichert. Wer sich erst einmal auf die Natur einlässt, wer sich dafür Zeit nimmt, der erlebt, wie wunderbar verbunden unser eigenes Leben mit dem Leben dort draußen ist.«

Bäume gibt es rund hundert Mal länger auf der Erde als Menschen. In diesem langen Zeitraum haben Bäume alle möglichen Gefahren, Krankheiten und Katastrophen bewältigt. Wie haben sie das angestellt, was macht sie so erfolgreich? Dieses Buch befasst sich mit genau diesen Fragen und regt zum Nachdenken an, wie wir Menschen davon profitieren könnten und was wir dazu tun sollten.

 

Es beginnt recht fundamental mit vielen hochinteressanten Infos zu Bäumen und ihren faszinierenden Fähigkeiten. Da erfährt man beispielsweise, wie die Photosynthese funktioniert, was Wurzeln alles können und was es mit diesem einmaligen Netzwerk der Pilze auf sich hat. Und auch die Ausführungen zum Erinnerungsvermögen der Bäume begeisterten mich! Wirklich ein ausgeklügeltes System und unschwer erkennt man, wo der enorme Erfolg der Bäume herkommt.

 

Wie sehr wir Menschen von Bäumen profitieren, nimmt einen weiteren großen Teil des Buchs ein. Es beginnt schlicht mit der Feststellung, dass die Bäume Wegbereiter für unsere Entwicklung waren, durch ihren Beitrag zur Veränderung der Erdatmosphäre. Die erstaunliche Heilkraft von Naturarzneimitteln ist ein weiterer Punkt, hier besonders am Beispiel der aus Baumharz gewonnenen Pechsalbe, mit einem Rezept zur Herstellung. Immer schon habe ich Holz in der Umgebung als sehr angenehm empfunden und den Duft genossen, welch positive Wirkung Holz aber tatsächlich auf die menschliche Gesundheit haben soll, hat mich doch überrascht.

 

Kommen wir zur Frage, was wir konkret mit diesen Erkenntnissen anfangen können. Hier wird die Bewertung für mich schwieriger.

Es ist überhaupt keine Frage, dass etwas geschehen muss, dass die Menschheit nicht so weitermachen kann, wie bisher. Von einigen, teils sehr prominenten Personen abgesehen, gibt es kaum jemanden, der den Klimawandel leugnen wird. Erwin Thoma führt deutlich aus, wie wir durch rücksichtslose Ausbeutung in kurzer Zeit unsere Lebensgrundlage für die Zukunft vernichten. Was also tun?

 

Einige Vorschläge zur notwendigen Änderung unserer Lebensweisen klingen sehr erstrebenswert. Weg von der Wegwerfgesellschaft hin zur Kreislaufwirtschaft, das unterschreibe ich gerne und werde für mich persönlich überprüfen, was ich als einzelner vielleicht noch tun kann. Kleines Problem und möglicher Widerspruch: Zu Beginn des Buchs wird der Weg »kampfloser, sanfter Veränderung« als der wirkungsvollste beschrieben. Das mag richtig sein und sich schon häufig bewährt haben, ob uns aber in der aktuellen Situation so viel Zeit bleibt? Und ob nicht so mancher eine Strategie des geduldigen Abwartens daraus ableiten könnte?

 

Andere Aussagen zur Rettung der Welt vor der Klimakatastrophe klingen für mich schlicht blauäugig. Jeder soll auf sein Herz hören, die »Verbundenheit aller Wesen mit ihrer Mitwelt in ihrem wahren Wert begreifen« und ähnliches. Viele grüne und überaus vernünftige Forderungen, und zur Finanzierung werden beispielsweise mal eben die weltweiten Rüstungsausgaben eingesetzt. Prima Idee, ich wäre sofort dabei, bezweifle aber, dass die Mächtigen der Welt das ähnlich sehen.

 

Auch meine private Umsetzung wird nicht einfach. Ich würde ja sehr gerne »zwischen hölzernen Wänden ruhig schlafen« oder mich an ein Kaminfeuer setzen, lebe aber leider in einer Großstadt und in einer Umgebung, in der nichts davon möglich ist. Ich kann mir auch keinen Umzug leisten. Und wenn der Autor vorgreifend das finanzielle Argument damit beantwortet, dass die Holzbauweise aufgrund diverser Begründungen auch nicht kostspieliger sei als die bisherigen Verfahren: Ich kann mir auch diese nicht leisten.

 

An dieser Stelle ein Punkt, der mir wirklich unangenehm aufstieß. Der Autor hat eine eigene Firma für den Bau von speziellen Holzhäusern. Und er macht reichlich Werbung dafür. So etwas in einem Sachbuch wirkt unangenehm und mindert die Glaubwürdigkeit. Mir fällt es ohnehin schwer zu glauben, dass unsere Wälder das massenweise Fällen von Bäumen problemlos wegstecken würden, das notwendig wäre, wenn wie vom Autor vorgeschlagen künftig primär in Holz gebaut werden sollte. Wenn ich dann gleichzeitig lese, wie er immer wieder die tollen Holzhäuser lobt, die sein Unternehmen baut, werden die Zweifel nur größer.

 

Die gebundene Ausgabe, die mir vorliegt, ist wirklich ein schönes Exemplar. Von außen teils in Holzoptik und innen mit vielen grünen Seiten – da fühlt man sich als Naturfreund schon beim Lesen wohl und spürt die Verbundenheit, die auch zwischen Buch und Baum besteht. Es finden sich zu den Kapiteln passend auch Fotos und Schaubilder, außerdem ein Märchen, das wohl in vielen Kulturkreisen überliefert ist, mir aber bislang unbekannt war. Es hat mich sehr berührt.

 

Die Texte sind leicht geschrieben, gut verständlich und lesbar. Die Liebe zur Natur merkt man sehr deutlich. Allerdings wird es mir manchmal ein wenig zu philosophisch, zu verträumt. Und dann ist da noch der kleine fiese Beigeschmack der Werbung… Ich vergebe 3,5 Sterne, die ich auf 4 aufrunde, da mich die vielen Infos rund um die Fähigkeiten der Bäume wirklich begeistert haben und einige sehr gute Gedankenansätze folgten.

 

Fazit: Was Bäume so draufhaben, ist schlicht faszinierend! Tolle Infos und einige wirklich gute Gedankenansätze.