Rezension

Was Habgier vermag

Bilder lügen nicht - Elisabeth Schönherr

Bilder lügen nicht
von Elisabeth Schönherr

Bewertet mit 4 Sternen

„...Die Gier, die ihn in all den Jahren angetrieben hatte, war in jenem Augenblick erloschen, als er den Klimt in seinen Händen gehalten hatte...“

 

Edith arbeitet als Kellnerin in Wien. Seit ihrem Rausschmiss aus der Bank ist das Geld knapp. Die junge Frau stammt aus den Masuren und hat in Wien studiert. Sie träumt von einer Karriere beim Theater, allerdings nicht als Schauspielerin. Mit einem selbst geschriebenen Stück möchte sie sich an einem Wettbewerb beteiligen. Philip, ihr Mann, ist ein wenig erfolgreicher Maler. Für den Verkauf seiner Bilder ist Lilly zuständig. Dann bewirbt sich Edith auf eine Annonce im Wiener Merkur. Frau Wesely, eine alte Dame, sucht eine Hilfe im Haus. Edith erhält die Stelle.

Die Autorin hat einen interessanten Roman geschrieben, der in Wien um die Jahrhundertwende spielt. Das Buch lässt sich flott lesen. Das liegt auch an den kurzen Kapitel, die in sich weiter strukturiert sind.

Die Protagonisten sind gut charakterisiert. Während Edith bereit ist, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, kommt mir Philip eher wie ein Getriebener vor. Seine Vernissage wurde von Edith organisiert, seinen schmalen Verdienst verdankt er Lilly, die ihm alte Gemälde zum Restaurieren bringt und sie als Originale verkauft. Die Eheleute leben mehr nebeneinander wie miteinander.

Frau Wesely ist eine vermögende Dame. Doch all der Besitz bedeutet ihr seit dem Tode des einzigen Sohnes nicht mehr viel. Der Junge ist verunglückt. Seine Leiche wurde nie gefunden. Ihr einziger Verwandter ist ihr Neffe Donald Paulus Moll. Er trägt alles aus dem Haus, was nicht niet- und nagelfest ist. Nur in einem Punkt bleibt Frau Wesely hart. Das in ihrer Bibliothek hängende Gemälde wird zu ihren Lebzeiten das Haus nicht verlassen. Danach geht es als Geschenk an ein Museum. Da kommt Paulus Moll auf eine perfide Idee.

Das Buch verfügt über einen gehobenen Schriftstil. Vielfältige und gut gewählte Metapher finden sich bei der Beschreibung von Örtlichkeiten. Gekonnt werden die Charakterzüge der Protagonisten herausgearbeitet. Das bedeutet, dass sie vor allem durch ihr Handeln zeigen, wes Geistes Kind sie sind. Dabei hatte ich an manchen Stellen bei Edith das Gefühl, dass sie sich mehr vom Leben versprochen hatte. Sie balanciert gern am Rande der Legalität. Philip dagegen weiß, dass sein Tun nicht rechtens ist. Das interessiert ihn aber kaum. Beide müssen nicht nur im Spannungsfeld zwischen Moll und seiner Tante zurecht kommen, sondern sie haben Molls krimineller Energie nur wenig entgegenzusetzen. Obiges Zitat ist ein Beispiel dafür, wie es der Autorin gelingt, die psychischen Tiefen der handelnden Personen auszuloten. In gut ausgearbeiteten Gesprächen zwischen Edith und Frau Wesely erhalte ich einen Einblick in die Vergangenheit beider Familien und die Geschichte des Hauses. Auch die Schicksale Wiener Juden klingen an. Ab und an hat Chefinspektor Ivo Schalk einen kurzen Auftritt. Er hat mehrere Diebstähle aufzuklären und dabei Edith und Philip sowie Moll im Visier.

Das Cover mit dem Gemälde weckt Interesse.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es ist nicht nur ein Krimi, sondern auch ein Gesellschaftsroman in eng gesteckten Rahmen. Es zeigt einen Ausschnitt der Wirklichkeit mit all seinen Schattenseiten.