Rezension

Was in Mexiko geschah

Der Schatz der Mixtekas
von Karl May

Bewertet mit 5 Sternen

Bevor Gasparino Cortejo in Spanien Graf Emanuel als letztes Hindernis zum Vermögen der Rodrigandas beseitigte begann die zweite Phase des großen verbrecherischen Plans der Gebrüder Cortejo. Dafür muss Don Ferdinando – Emanuels Bruder – der sich in Mexiko ein eigenes Vermögen erworben hat sterben. Alfonzo, der untergeschobene Erbe, heckt zusammen mit seinem Onkel, Pablo Cortejo, und dem gewissenlosen Seeräuber Landola, einen unmenschlichen Plan aus.

Doch was bewog die Gebrüder Cortejo zur abgrundtiefen Feindschaft mit den Rodrigandas? Dafür führt Karl May den Leser noch weiter in die Vergangenheit, nach Spanien, zu einer tragischen Geschichte.

Der zweite Band der großen Familiensaga klärt die Hintergründe der verzwickten Ereignisse auf. Er spielt zeitlich vor dem ersten und das in mehrfacher Hinsicht. Man erfährt, was in Mexiko mit Don Ferdinando wirklich geschah und lernt mit Pablo den zweiten Cortejo-Bruder kennen sowie seine unsympathische Tochter Josefa. Doch auch die Heldenfraktion erhält Verstärkung. Mit dem Apachenhäuptling Bärenherz und dem Mixtekahäuptling Büffelstirn hat Karl May zwei beeindruckende Indianergrößen geschaffen, die noch eine große Rolle spielen werden. Der Westmann Donnerpfeil stellt dann das Bindeglied zu den Ereignissen in Europa dar und kündigt bereits an, dass die Rächerjagd Sternaus nicht in Europa abgeschlossen werden wird.

Der zweite Band bietet wieder alles, was man von Karl May erwartet: Indianerkämpfe, Belagerungen, Gefangennahme und großartige Befreiungsaktionen. Mit kleinen Überraschungsmomenten bringt der Autor einen zum Schmunzeln und atemberaubende Wildwestabenteuer lassen einen das Buch nicht aus der Hand legen.

So wie man im ersten Band überrascht ist, einen Karl May ohne Wildwest- oder Orientgeschichte in Händen zu halten, ist man im zweiten frappiert einen Indianerroman in Händen zu halten, der nur rudimentär mit dem ersten Band verbunden zu sein scheint. Doch im Gesamtbild der 10bändigen Saga fügt sich dieses Buch als Vorgeschichte und mit Andeutungen auf zukünftige Ereignisse perfekt ein. Man lernt neue wichtige Charaktere kennen, sowohl auf der verbrecherischen Seite als auch für die Helden. Das Besondere an diesem Kolportageroman ist, dass der Leser detailliert alle wichtigen Charaktere kennenlernt – nicht nur im Status quo, sondern in ihrer Entwicklung über Jahrzehnte. Hochinteressant ist dabei, dass für die Cortejo-Brüder trotzdem kein sympathisches Gefühl aufkommt, während die Zigeunerkönigin Zarba oder auch der Herzog von Olsunna einem sogar ans Herz wachsen trotz ihrer Verbrechen. In kaum einem anderen Werk Mays werden dem Leser so viele Charaktere so umfassend und komplex präsentiert.

Ich liebe den Waldröschen-Roman! Er ist vielseitig, komplex und mitreißend. Ich habe die Helden der Geschichte ins Herz geschlossen und manche Szene werde ich nie vergessen und immer wieder lesen wollen. Ergänzt wird die Weltbild-Ausgabe durch großformatige Schwarzweißillustrationen von Firuz Askin, der sie nach den historischen Vorlagen der Münchmeyer-Buchfassung gestaltete. Damit wird die Lektüre noch einmal so amüsant.

Wer sich ein eigenes Urteil über die Münchmeyer-Romane Karl Mays bilden will, sollte unbedingt zu einer ungekürzten und unbearbeiteten Version des Textes greifen. Nur so kann er sich im komplexen, spannenden und bunten Abenteuer verlieren. Bekannte Motive Mays finden sich bereits hier, manche Schwäche kann man mit einem nachsichtigen Lächeln übergehen. Für mich ist auch der zweite Band der Waldröschen-Saga pures Lesevergnügen!