Rezension

Was täte dein Gutes, wenn es das Böse nicht gäbe ...

Der Meister und Margarita - Michail Bulgakow

Der Meister und Margarita
von Michail Bulgakow

Bewertet mit 5 Sternen

An den Patriarchenteichen verliert ein Schriftsteller den Kopf, ein anderer den Verstand. Ein Varietétheater erlebt die Vorstellung des Jahrhunderts, tausende Moskauer Damen finden sich leicht bekleidet auf der Straße wieder und alle schimpfen über verschwindende 10-Rubel-Scheine. Die Wohnung Nr. 50 im Haus Haus Sadowaja ist größer als gedacht, immer leer und der Kater kugelsicher. Alles endet in den Flammen, während der Meister seinem Schüler im Irrenhaus die Geschichte seines Buches über den grausamen fünften Prokurator von Judäa, dem Ritter Pontius Pilatus erzählt und seine große Liebe Margarita sich als des Teufels Ballkönigin drei Stunden lang das Knie küssen lässt.

Ich unterhielt mich vor einiger Zeit über unverfilmbare Bücher. Unter anderem wurde auch „Der Meister und Margarita“ von Bulgakow genannt. Von diesem Werk hat ich noch nie zuvor etwas gehört, aber es machte mich neugierig. Also ging ich auf gut Glück in die Buchhandlung, fand und kaufte es. 

 

WOVON HANDELT ES?

Den Inhalt kurz zusammen zu fassen ist schwer, einfach, weil er so komplex ist. Mein persönlicher Klappentext würde lauten wie folgt: 

An den Patriarchenteichen verliert ein Schriftsteller den Kopf, ein anderer den Verstand. Ein Varietétheater erlebt die Vorstellung des Jahrhunderts, tausende Moskauer Damen finden sich leicht bekleidet auf der Straße wieder und alle schimpfen über verschwindende 10-Rubel-Scheine. Die Wohnung Nr. 50 im Haus Haus Sadowaja ist größer als gedacht, immer leer und der Kater kugelsicher. Alles endet in den Flammen, während der Meister seinem Schüler im Irrenhaus die Geschichte seines Buches über den grausamen fünften Prokurator von Judäa, dem Ritter Pontius Pilatus erzählt und seine große Liebe Margarita sich als des Teufels Ballkönigin drei Stunden lang das Knie küssen lässt. 

Historisch angesiedelt im Moskau der 30er Jahre, in der Dekade nach der russischen Revolution ist es politische Satire mit einer großen Portion Schadenfreude und historischer Detailtreue. 

Magie und Hexerei, der Kampf zwischen Gut und Böse und die Frage, was des Menschen größte Schwäche ist, wer auf Erlösung hoffen darf und was den Teufel eigentlich so teuflisch macht. 

Es ist ebenso eine Liebesgeschichte zwischen den Titelhelden, dem talentierten aber verkannten und erfolglosen Schriftsteller, der sich selbst nur „der Meister“ nennt und Margarita, einer unglücklich verheiratete Frau. Bulgakow stellt die Fragen : Wie weit geht man für die Liebe? Was gibt man auf? Was opfert man? Und was kann man gewinnen? 

Innerhalb der Hauptgeschichte befindet sich zudem ein Roman im Roman, eben jenes Buch, welches „der Meister“ schreibt. Es ist die philosophisch angelegte Geschichte über Pontius Pilatus und die Tage rund um die Verhaftung und Verurteilung Jesu von Nazareth. 

Außerdem beschäftigt sich Bulgakow mit der Frage der Kunst, insbesondere der Literatur. Was darf und was soll sie? Welche Verantwortung haben Künstler, Schrifsteller, gegenüber der Gesellschaft? 

Und, und, und ... 

 

WIE FAND ICH ES? 

Bulgakow schafft es, trotz der Fülle an Personen, Schauplätze, Genre und Themen im Fluss zu bleiben. Es dauerte ein wenig, bis ich mir vor allem einen Überblick über die zahlreichen Personen verschafft hatte. Doch es war mir, als würde ich selbst nach Moskau dieser Zeit ziehen und so nach und nach meine Nachbarn kennen lernen. Zwischen fast allen Figuren besteht eine Verbindung, es gibt immer wieder Querverweise und als ich mich eingelesen hatte war es als würde ich auf jeder Seite alte Bekannte treffen. 

 Ich glitt mühelos durch den Mix aus realistischen und phantastischen Elementen hin und her, denn Bulgakows Schreibstil trug mich traumgleich und zugleich glaubwürdig durch seine Handlung. 

Was für mich auch daran lag, dass er auf eine schwarz und weiß Darstellung verzichtet. Die Opfer der Spielchen des Teufels haben auf der einen Seite verdient, was ihnen passiert. Doch ihre Taten geschehen aus solch einer Menschlichkeit heraus, dass ich mit ihnen mitfühlen und sie nicht wirklich verurteilen konnte. 

Auch der Teufel selbst, nebst seiner Spießgesellen, ist nicht der klare Bösewicht, der „Teufel.“ Bulgakows „Voland“, wie sich der Satan nennt, ist mephistophelischer Natur. Weder böse noch gut, sondern ein Teil des großen Ganzen. 

Um es mit den Worten des Autors zu beschreiben: 

 

„Willst du nicht so gut sein, einmal darüber nachzudenken, was dein Gutes täte, wenn das Böse nicht wäre, und wie die Erde aussähe, wenn die Schatten von ihr verschwänden? Kommen doch die Schatten von den Dingen und den Menschen. [...] Du willst doch nicht etwa den Erdball kahl scheren [...] und deine Phantasie an kahlem Licht ergötzen?“

 

 

FAZIT? 

Vergleichbar wäre das Werk mit Goethes Faust oder Dantes göttlicher Komödie. Ich las dieses Buch wie gesagt als Spontankauf auf Empfehlung ohne jegliches Vorwissen hauptsächlich während meiner zwanzigminütigen  Bahnfahrt von der Arbeit und zurück. 

Meiner Meinung nach ist ein Vorwissen nicht unbedingt nötig, es schadet aber nicht rudimentäres Grundwissen über das stalinistische Moskau und vor allem die Darstellung des faustischen Teufels zu haben. 

Der Roman wandert auf einem schmalen Grad zwischen Realismus und Phantasie, zwischen Historie und Mystik; schwingt mal in die eine, mal in die andere Genre und verknüpft doch alles zu einem stimmigen Gesamtbild. Die Themen sind Politik, Gesellschaft, Liebe und der Kampf zwischen Gut und Böse und alle die menschlichen Grauzonen die uns Menschen eben so menschlich machen und den Teufel teuflisch. 

Ein Buch für alle, die sich auf eine große Figurenfülle und komplexe Zusammenhänge einlassen können. Die mehrere Genre in einem Buch vereint lesen möchten. Die gern durch Fiktion ein wenig über Geschichte, Philosophie und ein wenig auch über religiöse Themen lernen möchten und sich ab und an beim Lesen nicht nur berieseln lassen möchte.